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Wegweisende Studie identifiziert anfällige Neuronen für Alzheimer

Geschrieben von:

Kornelia C. Rebel

Medizinisch überprüft von:

Dr. Iris Belfort

Inhaltsüberblick

Zuletzt aktualisiert am 28. November 2022 um 13:55

Hohe RORB-Spiegel bei betroffenen Neuronen

Die Hauptursache der Alzheimer-Krankheit ist das Absterben von Neuronen und anderen Gehirnzellen im Gehirn. Diese Degeneration führt zu Problemen mit dem Gedächtnis und anderen kognitiven Funktionen.

Mittlerweile können Wissenschaftler anhand der Position im Gehirn und des Aussehens erkennen, welche Neuronen durch Alzheimer zuerst sterben oder eine erhöhte Anfälligkeit für Alzheimer aufweisen. Aber sie wissen zur Zeit noch nicht, welche Gene oder Proteine ​​bei diesen Neuronen in Erscheinung treten. Diese Faktoren sind wichtig, um die Veränderungen in bestimmten Zellen durch eine Krankheit zu erkennen und zu identifizieren.

Für die neue Studie führten Wissenschaftler eine Gehirnanalyse post mortem bei Männern mit Alzheimer-Krankheit durch. Um den Fortschritt der Krankheit zu beurteilen, suchten sie zunächst nach Ansammlungen des Proteins Tau in verschiedenen Teilen des Gehirns.

Bei Menschen mit Alzheimer-Krankheit häufen sich Tau-Proteine ​​in Zellen an. Das führt normalerweise zum Absterben dieser Nervenzellen. Tau reichert sich in verschiedenen Hirnregionen unterschiedlich an, weshalb einige Bereiche erfahrungsgemäß stärker von Alzheimer betroffen sind.

Bei ihren Gehirnanalysen konzentrierten sich die Forscher auf zwei bestimmte Hirnregionen: den entorhinalen Kortex und den oberen Frontalgyrus. Der entorhinale Kortex beteiligt sich bei der Bildung von Gedächtnis, während der obere Frontalgyrus eine Rolle bei allen Gehirnfunktionen spielt, die mit dem Selbstbewusstsein verbunden sind.

Tau reichert sich in den frühen Stadien der Alzheimer-Krankheit im entorhinalen Kortex an, aber erst später im oberen Frontalgyrus. Durch die Analyse von zwei Bereichen mit unterschiedlichem Zellverlust in unterschiedlichen Krankheitsstadien konnten Wissenschaftler nach Unterschieden bei denselben Zelltypen suchen.

Die Forscher fanden heraus, dass sogenannte exzitatorische Neuronen am stärksten gefährdet sind. Diese Art der Nervenzellen erzeugt Aktionssignale im Gehirn, die erregende Impulse weiterleiten. Diese Neuronen gehen in den frühen Stadien der Alzheimer-Krankheit um fast 50 Prozent zurück.

Die Forscher kamen zu der Erkenntnis, dass diese exzitatorischen Neuronen höhere Konzentrationen eines bestimmten Proteins namens RORB (Retinoid-verwandter Orphan-Rezeptor Alpha) enthielten. In anderen Zellen konnte dieses Protein nicht nachgewiesen werden. Offensichtlich beeinflusst RORB die Anfälligkeit von Nervenzellen für Alzheimer.

Das Protein RORB beteiligt sich an der Entwicklung verschiedener Arten von Neuronen und ist auch ein Transkriptionsfaktor. Das bedeutet, es kann die Übersetzung von Genen in Erbmaterial steuern. Zudem kann RORB bestimmte Signalwege aktivieren oder deaktivieren, die Krankheiten auslösen können.

Im weiteren Verlauf der Studie verglichen die Forscher diese RORB-anfälligen Neuronen mit anderen exzitatorischen Neuronen. Dabei fanden sie Unterschiede in den Genen – insbesondere in den Genen, die an der Bildung der Synapsen und Signalmolekülen beteiligt sind. Synapsen sind die Verbindungspunkte zwischen Nervenzellen, an denen Signale empfangen und gesendet werden. Signalmoleküle ermöglichen die Übertragung von Nervenreizen über den synaptischen Spalt hinweg.

Um diese Ergebnisse zu bestätigen, untersuchte das Forscherteam diese Neuronen auch im oberen Frontalgyrus. Zudem verglichen sie ihre Ergebnisse mit anderen Studien. Dabei zeigte sich, dass auch im oberen Frontalgyrus exzitatorische Neuronen mit großen Mengen von RORB ähnlich anfällig waren. Dieser Befund belegt, dass für Alzheimer besonders empfindliche Nervenzellen einen hohen RORB-Spiegel aufweisen.

Die Forscher untersuchten auch andere Arten von Neuronen und Zellen auf vergleichbare Veränderungen hin. Sie fanden heraus, dass sich nur Astrozyten ebenfalls durch Alzheimer verändern. Diese Zellen spielen eine wichtige Rolle im Gehirn. Unter anderem regulieren sie die Aktivität der Neuronen und schützen das Gehirn vor Infektionen und anderen Krankheiten.

Die Forscher fanden heraus, dass Astrozyten bei Alzheimer anscheinend stärker aktiviert sind. Das ist normalerweise nur dann der Fall, wenn das Gehirn krank ist. Da für die Studie nur Gehirnproben von Männern untersucht wurden, können die Ergebnisse nicht auf Frauen ausgeweitet werden. 

Allerdings liefert diese Studie ein besseres Verständnis der Zellen, die am stärksten unter der Alzheimer-Krankheit leiden. Dies kann ein Sprungbrett für Forschung sein, die weitere Wirkmechanismen aufspürt.

Quelle:

Leng, K., Li, E., Eser, R. et al. Molecular characterization of selectively vulnerable neurons in Alzheimer’s disease. Nat Neurosci (2021). (https://doi.org/10.1038/s41593-020-00764-7)

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