Zuletzt aktualisiert am 25. November 2022 um 13:12
Spezifische Antikörper Grundlage für neue Therapien?
Das Forscherteam von Dr. Charles O. Elson befasst sich seit längerem mit Morbus Crohn, einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung. Sie zählt wie Colitis ulcerosa zu den Autoimmunerkrankungen. Im vergangenen Jahr veröffentlichten die Wissenschaftler bereits eine Studie mit einem Tierversuch, die Immuntherapie mithilfe von Flagellinen untersuchte.
Flagelline sind lange, dünne Filamente, mit denen sich Bakterien fortbewegen. Sie können bis zu 10 Mal so lang sein wie die Bakterien selbst. Für die Anfang Mai veröffentlichte Studie untersuchten die Forscher das Blutserum von 87 gesunden Menschen, 152 Patienten mit Morbus Crohn und 170 Personen mit Colitis ulcerosa. Dabei analysierten sie besonders IgG- und IgA-Immunglobuline sowie T-Zellen, die auf Flagelline reagieren.
Die daraus resultierenden adaptiven Immunantworten wurden mit entsprechenden klinischen Daten verglichen, um die Relevanz für das Krankheitsverhalten zu bestimmen.
Zum ersten Mal beschreiben die Forscher jetzt Flagelline von Bakterien der Familie der Lachnospiraceae, die für die krankhafte adaptive Immunantwort bei Morbus Crohn verantwortlich sind.
Genetisch anfällige Menschen entwickeln sowohl bei Morbus Crohn als auch bei Colitis ulcerosa gestörte adaptive Immunantworten auf die Mikrobiota. Das führt zu oft schmerzhaften Verdauungsbeschwerden, die das Leben der Patienten stark beeinträchtigen.
Wie genau diese Immunreaktionen ablaufen, ist bisher weitgehend unbekannt. Allerdings wurden in Tierversuchen Flagelline bereits als immundominante Antigene bei Morbus Crohn definiert.
Flagelline sind Bausteine der haarartigen Motilitätsflagellen, die sich von der Bakterienzellwand aus erstrecken. Diese langen Filamente sind starke Immunaktivatoren. Bei Flagellinen handelt es sich um das einzige bisher bekannte Protein von Mikroben, das neben Immunglobulin- und T-Zell-Rezeptoren drei Rezeptoren für die angeborene Immunantwort aufweist.
Die Forscher untersuchten für die aktuelle Studie die Blutseren aller Studienteilnehmer individuell und analysierten dabei besonders IgG- und IgA-Antikörperantworten. Bei den Patienten mit entzündlichen Darmerkrankungen fanden sie selektive Muster der Reaktionen von Antikörpern.
Interessanterweise hatten nur die Menschen mit Morbus Crohn erhöhte Mengen von Serum-IgG-Antikörpern gegen Lachnospiraceae-Flagelline aus verschiedenen Arten von Roseburia und einer Art von Eubacterium. Diese Bakterien sind normale Bewohner des menschlichen Ileums, dem dritten Segment des Dünndarms. Eine Untergruppe der Patienten mit Morbus Crohn reagierte sehr häufig mit Antikörpern gegen mehr als 10 verschiedene Flagelline.
Bei dieser Untergruppe von Patienten mit Morbus Crohn war die Multiflagellin-Hyperreaktivität mit Hinweisen auf eine schwere Immunantwort verbunden. Patienten in dieser Untergruppe hatten erhöhte Flagellin-spezifische T-Gedächtniszellen, ein reduziertes Verhältnis von Flagellin-reaktivem T-regulatorischem zu T-Effektorzellen und eine hohe Zahl von Krankheitskomplikationen.
Die starke adaptive Immunantwort auf die Flagelline von Lachnospiraceae kann nach Ansicht der Forscher ein Schlüssel bei der Entwicklung von neuen Immuntherapien bei Morbus Crohn sein.
Quelle:
Alexander KL, Zhao Q, Reif M, Rosenberg AF, Mannon PJ, Duck LW, Elson CO. Human Microbiota Flagellins Drive Adaptive Immune Responses in Crohn’s Disease. Gastroenterology. 2021 May 6:S0016-5085(21)00633-8. doi: 10.1053/j.gastro.2021.03.064. Epub ahead of print. PMID: 33844987. (https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33844987/)