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Neue Biomarker für Alzheimer Diagnose

Geschrieben von:

Kornelia C. Rebel

Medizinisch überprüft von:

Dr. Barbara Müller

Inhaltsüberblick

Zuletzt aktualisiert am 24. November 2022 um 18:12

Atemberaubende diagnostische Genauigkeit möglich? 

Nancy Ip von der Hong Kong University of Science and Technology leitete die Gruppe von Wissenschaftlern, die ein Panel mit 19 Biomarkern für die genaue Diagnose der Alzheimer-Krankheit untersuchte. Mehrere Proteine dieses Panels ändern sich mit dem Stadium der Krankheit. Das ermöglicht es, anhand dieser Laborwerte leichte von schwerer Demenz zu unterscheiden.

Die Wissenschaftlerin glaubt, dass die Zusammenstellung dieser Proteine auch Erkenntnisse über biologische Prozesse und Mechanismen von neurodegenerativen Krankheiten ermöglichen könnte.

Mit der neuen Studie tritt das Team in die Fußstapfen von zahlreichen Forschergruppen, die sich bereits mit Biomarkern im Blutplasma für die genaue Diagnose der Alzheimer-Krankheit beschäftigt haben. Unter anderem hatten Wissenschaftler der US-amerikanischen Stanford University im Jahr 2007 eine Gruppe von 18 Proteinen zusammengestellt. Forscher an der Emory University in Atlanta erregten mit der Kombination von 4 Proteinen im Jahr 2012 Aufmerksamkeit.

Das Problem bisheriger Studien war, dass sich die Ergebnisse nicht wiederholen ließen. Um dieses Problem zu vermeiden, benutzte die Teamleiterin Ip eine neue Methode, die Proximity Extension Assay (PEA). Dabei weisen Antikörperpaare Proteine im Blutplasma nach. Diese Antikörper können verschiedene Epitope, begrenzte Bereiche eines Molekülabschnitts, auf einem Protein erkennen.

Die Antikörperpaare sind jeweils mit einem DNA-Strang verknüpft. Wenn sie an ihr Zielprotein binden, hybridisieren sich die Stränge. Das bedeutet, sie verbinden sich über Wasserstoffbrücken. Die DNA-Polymerase, das Enzym für die Bildung neuer DNA-Stränge, erzeugt so einen einzigartigen biochemischen ‚Barcode’ für ein Protein. Eine quantitative Polymerase-Kettenreaktion verstärkt dieses Signal bei PEA.

Laut Ip hat diese Methode den Vorteil, dass damit sehr geringe Mengen von Proteinen im Blut nachgewiesen werden können. Ältere Methoden wie der ELISA-Test schaffen dies nicht. Zudem können mit PEA 100 verschiedene Proteine gleichzeitig untersucht werden.

Dank PEA konnte der Studienautor Yuanbing Jiang 1.160 Proteine ​​im Blut von 106 Alzheimer-Patienten und 74 Kontrollpersonen im gleichen Alter untersuchen. Alle Teilnehmer wurden in einer Klinik in Hongkong untersucht. Das aktuelle Stadium der Alzheimer-Krankheit wurde nach klinischen Kriterien diagnostiziert.

Zusätzlich zu den bekannten Biomarkern bei Alzheimer – Aβ42/Aβ40, Gesamt-Tau und NfL – fanden die Autoren 429 Plasmaproteine, die bei den Alzheimer-Patienten und den Kontrollpersonen mehr oder weniger reichlich vorhanden waren. Viele davon standen im Einklang mit früheren Arbeiten, wobei das endgültige neue Set von Plasmaproteinen drei Proteine ​​aus dem Stanford-Panel und eines aus dem Emory-Panel umfasste.

Zudem zeigte sich eine gute Übereinstimmung mit einer 2019 durchgeführten Plasmaproteinstudie, das ein Team von schwedischen und US-amerikanischen Forschern veröffentlicht hatte.

Die Autoren der aktuellen Studie gruppierten diese 429 Proteine ​​in 19 verschiedene biologische Prozesse, unter anderem Zelladhäsion, extrazelluläre Matrixzerlegung und Apoptose. In jeder Gruppe wählten sie dann das Protein aus, das sich bei Alzheimer am dramatischsten veränderte. Diese 19 „Hub-Proteine“ bilden das neue diagnostische Panel.

In einer unabhängigen Kohorte von 36 Alzheimer-Patienten und 61 Kontrollpersonen identifizierte die Forschergruppe die Alzheimer-Krankheit mit einer AUC (Area under the curve, Fläche unter der Kurve) von 0,97. Dieser Wert beschreibt die Genauigkeit des Tests. Bemerkenswert ist, dass diese Genauigkeit höher ist als die der gängigen Biomarker von Plasma-Aβ42/Aβ40, Gesamt-Tau und NfL, die eine kombinierte AUC von 87 Prozent aufweisen.

Darüber hinaus fanden die Wissenschaftler heraus, dass sich sieben der 19 Proteine ​​mit dem Krankheitsstadium veränderten. Das ermöglichte es, leichte von schwerer Demenz zu unterscheiden. Drei dieser Proteine, NELL1, Centrin 2 und Keratin 14, waren selbst bei Menschen mit relativ geringer kognitiver Beeinträchtigung verändert. Mit zunehmender Demenz veränderten sich die Werte weiter.  

NELL1 beeinflusst das Zellwachstum, Centrin 2 ist ein Strukturprotein und Keratin 14 ist Teil der extrazellulären Matrix. Drei weitere, die Tyrosinkinase LYN, Proteinkinase C Theta und der Rezeptor LIF-R, waren bei Menschen mit mäßiger kognitiver Beeinträchtigung verändert und blieben bei schwerer Erkrankung unverändert. Das siebte Protein, Kallikrein-verwandte Peptidase 4, war nur bei Menschen mit schwerer kognitiver Beeinträchtigung verändert.

„Eine Fehlregulation verschiedener Gewebe, Zellen und biologischer Prozesse kann in verschiedenen Stadien der Krankheit beteiligt sein“, sagte Ip bei der Vorstellung der Studie. Sie plant weitere Studien, die sich mit Biomarkern der Alzheimer-Krankheit befassen. Dabei soll geklärt werden, ob sich mit Plasmaproteinen verschiedene Subtypen von Alzheimer unterscheiden lassen. Außerdem soll untersucht werden, ob sich andere neurodegenerative Krankheiten wie Parkinson ebenfalls damit diagnostizieren lassen.

Quelle:

Jiang Y, Zhou X, Ip FC, Chan P, Chen Y, Lai NCH, Cheung K, Lo RMN, Tong EPS, Wong BWY, Chan ALT, Mok VCT, Kwok TCY, Mok KY, Hardy J, Zetterberg H, Fu AKY, Ip NY. Large-scale plasma proteomic profiling identifies a high-performance biomarker panel for Alzheimer’s disease screening and staging. Alzheimers Dement. 2021 May 25. doi: 10.1002/alz.12369. Epub ahead of print. PMID: 34032364. (https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34032364/)

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