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„Magische“ Mozartsonate hilft bei Epilepsie

Geschrieben von:

Kornelia C. Rebel

Medizinisch überprüft von:

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Zuletzt aktualisiert am 23. November 2022 um 14:48

Wagner verliert gegen Mozart, wenn es um Gehirnfunktionen geht

Kenner klassischer Musik bezeichnen die Sonate für zwei Klaviere in D-Dur seit langem als ein herausragendes Werk des musikalischen Genies Mozart.

Die beiden Klaviere erzeugen dabei eine Klangfülle, wie sie an einem Instrument alleine nicht möglich wäre. Experten rühmen zudem die satztechnische Bandbreite, die in dieser Form kein anderes Werk von Mozart für Klaviere aufweist.

Der von Wissenschaftlern belegte K-448-Effekt zeigt, dass die Klänge dieser Sonate das räumliche Denken vorteilhaft beeinflussen – allerdings nur vorübergehend. Auch die wohltuende Wirkung bei Epilepsie ist bereits länger bekannt. Um die Wirkmechanismen zu untersuchen, haben US-amerikanische Forscher jetzt die Gehirne von 16 Patienten mit Epilepsie genau überwacht. Bei allen Patienten hatten sich Medikamente als unwirksam erwiesen.

Für die Beobachtung der Gehirnfunktionen wurden sie mit EEG-Gehirnimplantaten ausgestattet. Nachdem sie die Sonate mindestens 30 Sekunden lang gehört hatten, stellten die Wissenschaftler bereits eine Abnahme von IED statt. Diese Buchstaben bezeichnen intrakranielle interiktale epileptiforme Entladungen. Diese potenziell schädliche Aktivität der Neuronen findet bei Epileptikern zwischen Anfällen statt. Besonders stark ließ sich dieser Rückgang im frontalen Cortex nachweisen, der unsere Persönlichkeit und komplexe Handlungen prägt.

Weder bei der Musik von Wagner, bei Rauschen oder bei der Lieblingsmusik der Patienten ließen sich vergleichbare neuronale Aktivitäten beobachten.

Außerdem verzeichneten die Wissenschaftler eine Erhöhung der Theta-Aktivität bei längeren musikalischen Übergängen im Musikstück. Beim Lernen, bei Gedächtnis und der Navigation im Raum spielen Thetawellen eine wichtige Rolle.

Dass die Effekte bei Übergängen zwischen längeren musikalischen Phrasen zuzunehmen schienen, deutet darauf hin, dass diese Passagen im Lied eine Art von Vorfreude erzeugen: Diese wird dann auf unerwartete Weise musikalisch beantwortet und ruft so eine positive emotionale Reaktion hervor.

Die Wissenschaftler kommen zu dem Schluss: „Diese Ergebnisse legen nahe, dass der „Mozart K-448-Effekt“ von der Expositionsdauer abhängt und bevorzugt die Aktivität in frontalen emotionalen Netzwerken modulieren kann, was einen Einblick in den dieser Reaktion zugrunde liegenden Mechanismus ermöglicht. Unsere Ergebnisse ermutigen die fortgesetzte Bewertung von Mozarts K 448 als nicht-invasive, nicht-pharmakologische Intervention bei refraktärer Epilepsie.“

Tatsächlich ist Epilepsie ein Sammelbegriff, der verschiedene Arten von neurologischen Erkrankungen beschreibt. Alle sind durch ungewöhnliche Gehirnaktivität gekennzeichnet, die zu wiederkehrenden epileptischen Anfällen führt.

Weltweit leiden etwa 50 Millionen Menschen an Epilepsie. Etwa 70 % der Fälle sprechen auf Medikamente gegen Krampfanfälle an. Für Patienten, bei denen Medikamente nicht wirken, können eine Operation, Neurostimulation oder Ernährungsumstellung eine Option sein.

Eine epileptische Erkrankung kann in jeder Lebensphase diagnostiziert werden, aber die meisten Diagnosen treten entweder in der Kindheit oder im Alter auf. Bei einer Diagnose im Kindesalter ist es möglich, aus der Krankheit „herauszuwachsen“. Wie und warum bleibt jedoch ein Rätsel.

Es gibt viele ungeklärte Fragen zur Epilepsie, obwohl es sich um eine der ältesten menschlichen Erkrankungen handelt. Die erste bekannte Beschreibung stammt von einer 4000 Jahre alten Tafel, die in Mesopotamien gefunden wurde.

Quelle:

Quon, R.J., Casey, M.A., Camp, E.J. et al. Musical components important for the Mozart K448 effect in epilepsy. Sci Rep 11, 16490 (2021). https://doi.org/10.1038/s41598-021-95922-7 (https://www.nature.com/articles/s41598-021-95922-7)

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