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Chlamydien manövrieren das Immunsystem aus

Chlamydia trachomatis ist der Name eines Bakteriums, das weltweit die meisten sexuell übertragbaren Infektionen auslöst. US-amerikanische Wissenschaftler haben jetzt herausgefunden, wie die umgangssprachlich Chlamydien genannten Bakterien das Immunsystem ausmanövrieren. Sie produzieren ein bestimmtes Protein, das sie für Immunzellen unsichtbar macht – selbst wenn sie Entzündungen auslösen.

Geschrieben von:

Kornelia C. Rebel

Medizinisch überprüft von:

Saskia Bauhausen

Inhaltsüberblick

Zuletzt aktualisiert am 20. April 2023 um 10:49

Protein GarD wirkt wie Tarnumhang

Viele Mediziner bezeichnen Chlamydien als eine stille Pandemie, die viele Millionen Menschen auf der Welt betrifft. Nach Auskunft des US-amerikanischen Centers for Disease Control and Prevention (CDC) infizierten sich im Jahr 2018 4 Millionen Menschen mit der bakteriellen Krankheit. Experten schätzen die Zahl der neu Infizierten in Deutschland auf mindestens 300.000 pro Jahr. Das macht sie zur am häufigsten diagnostizierten sexuell übertragbaren Infektion.

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Jörn Coers, Immunologe an der Duke University und leitender Studienautor, betonte, dass die meisten Infektionen unerkannt bleiben. Deshalb belasten sie häufig monatelang den Körper. Das Problem ist, dass die Symptome bei Männern im Allgemeinen sehr mild sind. Meist wird eine Chlamydien-Infektion deshalb nicht bemerkt.

Chlamydien nur für Frauen gefährlich

Allerdings können infizierte Männer Frauen anstecken. Beim weiblichen Geschlecht können Chlamydien jedoch zu einer Fibrose im Fortpflanzungstrakt führen. Das kann eine Eileiterschwangerschaft und im Extremfall Unfruchtbarkeit verursachen.

Bisher gibt es keinen Impfstoff, der vor einer Infektion mit Chlamydia schützt. Das möchte Coers ändern. Seit Jahren beschäftigt er sich damit, wie diese Bakterien der Entdeckung und Zerstörung durch das Immunsystem umgehen. Jetzt entdeckte er mit seinem Forscherteam ein Schlüsselprotein. Es ermöglicht Chlamydia trachomatis, die körpereigene Abwehr auszuschalten.

Geschützte Vakuole in Zellmembran

Diese Bakterien brauchen eine Wirtszelle, um sich fortpflanzen zu können. Um in eine Wirtszelle einzudringen, hüllt sich Chlamydia in ein Stück der Membran der Wirtszelle ein. Das bildet eine sogenannte Vakuole, ein Einschluss, in dem das Bakterium wächst und sich teilt, ohne von Immunzellen unterbrochen zu werden.

Die Vakuole ist überlebenswichtig für Chlamydien, denn T-Zellen können sie in der kurzen Zeit erkennen, in der sie außerhalb der Zelle leben. Als Reaktion darauf setzen T-Zellen Gamma-Interferon (IFN-γ) frei, ein entzündliches Zytokin, das die Zerstörung des Pathogens auslöst.

Versteckspiel mit Immunsystem

Aber Chlamydia hat es geschafft, sich vor dieser Immunantwort zu verstecken und für Monate oder sogar Jahre im Körper zu überleben. Bereits seit einiger Zeit wissen Coers und seine Kollegen, dass es sich dabei um eine besondere Fähigkeit von Chlamydia trachomatis handelt.

Chlamydia muridarum, ein eng verwandter Erreger von Nagetieren, schafft dies nicht. Bereits im Jahr 2016 entdeckte Coers, dass das Protein Mysterin das Protein Ubiquitin an Chlamydia muridarum in menschlichen Zellen bindet und sie damit für die Zerstörung markiert – obwohl das Bakterium einen Einschluss in der Zellmembran gebildet hat.

Ubiquitin signalisiert der Zelle, den Inhalt des Einschlusses in ein Lysosom zu entleeren. Lysosom sind Bläschen im Zytoplasma, die auch als Magen einer Zelle bezeichnet werden. Sie enthalten Verdauungsenzyme, die schädliche Substanzen vernichten.

Krieg der Proteine in der Zellmembran

Bei Chlamydia trachomatis funktioniert die Markierung mit Ubiquitin jedoch nicht. GarD ist der Name eines Proteins, das C. trachomatis produziert und das sich in die Einschlussmembran integriert. GarD hindert Mysterin daran hindert, Ubiquitin zu binden. Auf diese Weise entgeht das Bakterium der Zerstörung durch Immunzellen. Es kann sich in seiner Vakuole ungestört vermehren, bis es schließlich aus der Zelle ausbricht.

Für ihre Untersuchungen führte das Team ein genetisches Screening verschiedener mutierter C. trachomatis-Stämme durch. Sie wurden in menschlichen Epithelzellen in Anwesenheit und Abwesenheit von IFN-γ gezüchtet. IFN-y ist das Zytokin, das die Bakterien zerstören kann.

GarD integriert sich selbständig in Membran

Die am anfälligsten für IFN-y vermittelte Zerstörung C. trachomatis-Stämme wiesen Mutationen in einem Gen auf. Dieses Gen kodiert für das Protein, das die Forscher GarD nannten. Vorher trug es die Bezeichnung CTL0390. Das gab den Wissenschaftlern den Hinweis, dass GarD für das Überleben von C. trachomatis wichtig ist.

Bildgebende Experimente an IFN-γ-resistenten C. trachomatis-Stämmen zeigten, dass GarD die Ubiquitin-Bindung blockiert. Das ist möglich, weil sich das Protein selbständig in die Membran der Vakuole einfügt. Das Deaktivieren von GarD ermöglichte die Bindung von Ubiquitin und machte die Bakterien angreifbar.

„Wenn das GarD-Protein vorhanden ist, verkleidet sich der Einschluss wie ein Tarnumhang aus Harry Potter“, erklärte Coers. „Jetzt verstehen wir, warum Interferon-γ diese Infektionen nicht beseitigen kann und warum diese Infektionen so lange anhalten.“

Quelle:

Walsh SC, Reitano JR, Dickinson MS, Kutsch M, Hernandez D, Barnes AB, Schott BH, Wang L, Ko DC, Kim SY, Valdivia RH, Bastidas RJ, Coers J. The bacterial effector GarD shields Chlamydia trachomatis inclusions from RNF213-mediated ubiquitylation and destruction. Cell Host Microbe. 2022 Dec 14;30(12):1671-1684.e9. doi: 10.1016/j.chom.2022.08.008. Epub 2022 Sep 8. PMID: 36084633; PMCID: PMC9772000. (https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/36084633/)

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