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Hashimoto Thyreoiditis – ein Problem mit vielen Gesichtern

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Zuletzt aktualisiert am 19. März 2020 um 21:01

Autoimmunerkrankungen gehören nach Herz-Kreislauf- und Tumorerkrankungen zu den weltweit dritthäufigsten Krankheiten mit steigender Tendenz. Erkrankungen der Schilddrüse findet man nach neuesten Erkenntnissen in Deutschland bei fast 50 % der Bevölkerung, allein die Hashimoto Thyreoiditis findet man nach Experteneinschätzung bei circa 10 %.

Autor: Tom Fox

Hashimoto – die weltweit häufigste organspezifische Autoimmunerkrankung

Die Schilddrüse ist beim Menschen mit einem Gewicht von etwa 20 bis 60 g die größte hormonproduzierende Drüse. Die von ihr freigesetzten Hormone T4 und T3 wirken zum Beispiel auf Wachstumsprozesse, Zucker- und Fettverbrennung, Nerven- und Muskelfunktion sowie sogar auf die Produktion der sogenannten Glückshormone. Sie gilt im Allgemeinen als der ‚Motor’ des sogenannten Grundumsatzes. Die Aufgabe der Schilddrüse im Hinblick auf unser Gehirn beziehungsweise Zentralnervensystem wird allerdings zuweilen unterschätzt: das Wachstum einiger Nerven sowie die Signalweiterleitung in bestimmten Hirnregionen sind direkt von einer ausreichenden Produktion an Schilddrüsenhormonen abhängig.

Die Schilddrüse ist somit ein Organ, welches in die unterschiedlichsten Stoffwechsel-Netzwerke eingebunden ist. Deshalb lohnt sich eine interdisziplinäre Betrachtung aus der Sicht der klinischen Psycho-Neuro-Immunologie.

Die Schilddrüse wird hauptsächlich durch die Hirnanhangdrüse (Hypophyse) in ihrer Funktion durch das Hormon TSH reguliert. Auf der anderen Seite reagiert die Schilddrüse wiederum direkt auf periphere Botenstoffe oder Stoffwechselveränderungen. Hierdurch kann sich dieses Organ auf die jeweils aktuelle Stoffwechsellage anpassen.

Die flexible Regulierung ‚nach oben und unten’ birgt allerdings auch die Gefahr einer zu langen und rigiden Anpassung in die ein oder andere Richtung: dies wird dann als Unter- beziehungsweise Überfunktion der Schilddrüse (Hypo- beziehungsweise Hyperthyreose) bezeichnet. Diese Unter- beziehungsweise Überfunktion kann unter anderem auch durch sogenannte Autoimmunprozesse ausgelöst werden. Etwa 16 % aller Frauen und circa 2 % aller Männer erkranken irgendwann in ihrem Leben an einer Autoimmunthyreoiditis. Die Hashimoto-Thyreoiditis (HT) gilt hier als die weltweit häufigste organspezifische Autoimmunerkrankung.

Bei einer Autoimmunerkrankung der Schilddrüse produziert unser Immunsystem Antikörper gegen bestimmte Schilddrüsenbestandteile. Im Falle der HT sind das in erster Linie die Schilddrüsenproteine TPO und TG. Normalerweise helfen diese Proteine bei der Produktion der Schilddrüsenhormone. Da nun Antikörper gegen diese Proteine bestehen ist in der Regel die Produktion der Schilddrüsenhormone eingeschränkt: es entsteht eine Unterfunktion. Die Konsequenz ist in der Regel eine Verkleinerung des Schilddrüsengewebes. In seltenen Fällen ist allerdings auch eine zeitweilige Überfunktion möglich.

HT tritt häufig gemeinsam mit anderen hormonellen Erkrankungen auf. Und nicht selten finden sich bei betroffenen Patienten häufig auch noch weitere Autoimmunerkrankungen. Zu diesen gehören unter anderem Rheuma, verschiedene Kollagenosen, Diabetes Typ I, Zöliakie und Vitiligo.

Die Entstehung einer HT wird in der Literatur kontrovers diskutiert. Es lassen sich allerdings Hinweise auf diverse Risikofaktoren bestimmen. Zu diesen gehören zum Beispiel Infektionen durch das Ebstein Barr Virus, herpesvirenbedingte Erkrankungen wie die Gürtelrose, eine ungünstig veränderte Darmflora beziehungsweise eine zu durchlässige Darmschleimhaut (Leaky Gut) (I), Antikörper gegen Bestandteile aus tierischen Proteinen (II), eine Intoleranz gegen das Nahrungsprotein Gluten beziehungsweise Gliadin (III) sowie eine erhöhte Entzündungsreaktion aufgrund des Kontaktes mit zu hohen Mengen des Kunststoffes Bisphenol A aus zum Beispiel Plastikflaschen (IV).

Des Weiteren findet man bei Patienten mit HT eine erhöhte Schwankung bei hormonellen Veränderungen wie zum Beispiel Schwangerschaft und Menopause. Zyklusstörungen kommen bei Patientinnen mit HT häufig vor.

Hashimoto und Darm

Neuere Untersuchungen zeigen eine ungünstige Verteilung der Darmbakterien bei Patienten mit HT. Durch diese ungünstige Verteilung wird die Wahrscheinlichkeit einer immunologischen Reaktivität erhöht und somit der Weg für eine Autoimmunreaktion bereitet. Des Weiteren zeigt sich bei dieser Patientengruppe zunehmend, dass die Darmschleimhaut Schädigungen im Sinne gestörter Tight-Junction-Barrieren aufweist. Bei gestörter Darmbarriere besteht durch das vermehrte Eintreten von Fremdmaterial immer ein erhöhtes Risiko auf eine Immunreaktion (Mori 2012, Zhao 2018).

Hashimoto und Neuraminsäuren aus rotem Fleisch (Neu5GC)

Eine in tierischen Proteinen (Ausnahme: Vögel, Reptilien und Fische) vorkommende Substanz mit dem komplizierten Namen N-Glycolylneuraminsäure (Neu5GC) wird im menschlichen Gewebe nicht synthetisiert, kann aber vor allem in den Zellen des Verdauungstrakts nachgewiesen werden. Dies weist auf die Aufnahme durch Nahrung hin. Das humane Immunsystem reagiert unglücklicherweise auf Neu5GC und bildet mit hoher Wahrscheinlichkeit Antikörper gegen diese körperfremden Bestandteile. Bei Patienten mit einer HT ist die Bildung dieser Antikörper auch noch im Vergleich mit anderen Autoimmunerkrankungen extrem hoch. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Konsum dieser Nahrungsquellen gegebenenfalls zu einer Verstärkung der Autoimmunreaktion führen kann, steigt verständlicherweise (Eleftheriou 2014, Schauer 2009, Samraj 2005).

Hashimoto und Gliadin

Das Peptid Gliadin ist ein Bestandteil des Proteins Gluten, welches vor allem in Getreide aus der Gruppe der Weizenpflanzen vorkommt. Gliadin kann unter bestimmten Umständen die Darmbarriere schädigen und zu einem ‚Leaky Gut Syndrom’ führen. Bei diesem Syndrom ist die Darmschleimhaut zu durchlässig und es kommt zu Irritationen im Immunsystem: es können Antikörper gebildet werden. Bereits zu Beginn des 21. Jahrhunderts wurde dies bei Patienten mit HT nachgewiesen (Fasano 2015, Akcay 2003).

Hashimoto und Bisphenol A

Der Kunststoff Bisphenol A (BPA) dient in seiner Eigenschaft als Weichmacher vor allem als Ausgangsstoff zur Synthese polymerer Kunststoffe zum Beispiel in der Herstellung von Trinkflaschen, Lebensmittelboxen, Konserven und Schraubdeckeln für Getränkeflaschen. Neben den bekannten Gesundheitsschädigungen wie hormonellen Dysbalancen und gegebenenfalls auftretenden neoplastischen Veränderungen wirkt BPA ebenfalls stimulierend auf das Immunsystem. Dies kann Autoimmunprozesse beschleunigen (Kharrazian 2014, Menard 2014, Chailurkit 2016).

Hashimoto und Depression

Vor allem Patientinnen mit HT leiden häufig unter Stimmungsschwankungen, die zum Teil zyklusbedingt sein können. Darüber hinaus gibt es derzeit aber auch einen nicht unerheblichen Teil der oben angeführten Patientinnen, die unter dauerhaften Stimmungsproblemen leiden, welche mitunter auch schon als Depression bezeichnet werden können.

Grundsätzlich besteht bei so gut wie allen Autoimmunkrankheiten die Möglichkeit, dass eine Stimmungsschwankung oder depressive Verstimmung entstehen kann. Das aktivierte Immunsystem – bei einer Autoimmunkrankheit auf eigenes Körpergewebe gerichtet – beeinflusst über diverse Hormone und Botenstoffe fast alle unsere Organe. Unser Gehirn kann diese „Nachricht“ empfangen und dementsprechend darauf reagieren.

Und im Rahmen seiner Reaktionsmöglichkeiten in Bezug auf das Immunsystem kann sich so auch die Aktivität seiner Hirnbotenstoffe – sogenannter Neurotransmitter – ändern. Das einfachste Beispiel hierfür ist wohl die Änderung der Stimmungslage bei akuten Infektionen wie beispielsweise einer Grippe. Zu den hierfür bekannten Neurotransmittern zählen unter anderem Serotonin und Dopamin. Verändert sich der Serotoninstoffwechsel, hat das Einfluss auf die Stimmungslage: man zieht sich zurück und wird depressiv.

Wird der Serotoninstoffwechsel also durch Botenstoffe des Immunsystems verändert, kann die Stimmung schon mal ‚kippen’. Ähnliche Veränderungen sieht man beim Neurotransmitter Dopamin. Sobald das Immunsystem, wie zum Beispiel akut bei einem grippalen Infekt aber auch bei chronischen Entzündungsveränderungen, aktiv wird, verändert sich der Dopaminstoffwechsel und das Verhalten wirkt weniger motiviert.

Im Extremfall kann dies auch in einer Depression enden. Im Falle der Schilddrüse stellt sich die Änderung der Gemütslage noch deutlicher dar: das Schilddrüsenhormon T3 ist indirekt am Neurotransmitterstoffwechsel beteiligt, beeinflusst so unser Gehirn und damit auch das Verhalten. T3 garantiert somit die einwandfreie Funktion des Glückhormons Serotonin.

Bei einer Schilddrüsenunterfunktion mit niedrigen T3 Werten wie zum Beispiel bei HT ist der T3 Wert oft so niedrig, dass sich dies auf Verhaltensebene als depressives Verhalten zeigen kann (Bauer 2002, Raison 2006, Benros 2013).

Häufigeres Auftreten von HT bei Frauen

Das Hormon Östradiol hat – neben allen anderen Aufgaben – einen stimulierenden Effekt auf unser Immunsystem. Dieser Effekt ist bei Männern aufgrund der geringen Produktion dieses Hormons minimal und zusätzlich wirkt hier das Hormon Testosteron hemmend auf das Immunsystem. Bei Frauen stellt sich diese Situation leider etwas anders dar.

Da normalerweise eine ständige Immunstimulation nachteilig wäre, wird dieser Effekt durch eine adäquate Produktion des immunsuppressiven Hormons Progesteron kompensiert. Fällt der Progesteronspiegel, so werden die immunstimulierenden Effekte von Östradiol eher sichtbar. Nicht selten zeigen sich dann gehäuft entgleiste Immunreaktionen: Frauen bekommen statistisch gesehen deutlich häufiger Autoimmunerkrankungen als Männer.

Während der Menopause verringert sich die Produktion aller Geschlechtshormone – allerdings sieht man häufig, dass dies beim Hormon Progesteron im Vergleich zu Östradiol etwas schneller und früher passiert. Hier besteht somit die Möglichkeit auf eine verstärkte Autoimmunreaktion. Das Ergebnis: Autoimmunerkrankungen entstehen bei Frauen häufiger während beziehungsweise nach der Menopause (Lleo 2008, Moroni 2012).

HT und Fruchtbarkeit

Die Schilddrüsenhormone T4 und T3 wirken stimulierend auf den Östrogenspiegel. Bei zu geringen Schilddrüsenhormonwerten besteht die Möglichkeit auf einen reduzierten Östrogenspiegel. Ist der Östrogenspiegel zu niedrig, wird eine Ovulation schwieriger. Durch die Störung in der Bildung der Schilddrüsenhormone durch eine HT kann somit bei Frauen die Fertilität gestört sein (Poppe 2008).

Lösungswege

Mögliche Lösungsstrategien zur Behandlung einer HT ergeben sich in erster Linie aus der Beeinflussung der beschriebenen Entstehungswege.

Beeinflussung der Darmflora / Darmbarriere

Eine positive Beeinflussung der intestinalen Mikroflora, mit zum Beispiel ausgewählten Probiotika, kann die Immunantwort normalisieren und somit Entzündungen entgegenwirken. Vor allem aber sollte die Ernährung ausreichend Faserstoffe enthalten. Eine zu durchlässige Darmbarriere lässt sich mit Nahrungsmitteln mit hohem L-Glutamin-Gehalt wie Kakao, Fisch, Geflügel und Eiern sowie einer ausreichenden Vitamin-D-Versorgung durch zum Beispiel Fisch, Eiern und Pilzen wiederherstellen (De Souza 2005, Kivity 2011, Mori 2012).

Antikörper gegen Neu5GC

Zur Abschwächung der Belastung mit den Antikörpern gegen Neu5GC sollte der Konsum aller tierischen Produkten aus der Säugetiergruppe (Fleisch, Innereien, Milchprodukte) zumindest in Frage gestellt werden. Des Weiteren wird der Einsatz des Zuckers D-Mannose diskutiert (Samraj 2003, Yu 2016).

Gliadinunverträglichkeit

Im Falle einer vorliegenden Antikörperbildung gegen Gliadin sollte der Konsum gliadinhaltiger Lebensmittel (vor allem Weizenprodukte) unterlassen werden. Bei lediglich vorliegender Intoleranz ist zumindest eine Einschränkung des Konsums dieser Nahrungsmittel anzuraten (Fasano 2015, Akcay 2003).

Fettkonsum

Eine ausreichende Versorgung mit vor allem gesunden Fetten in der Nahrung stellt nicht nur die Verteilung der gesunden Fette sicher, sondern wirkt sich positiv auf die hormonelle Lage vor allem bei Frauen aus. Somit ist sicherlich ein erhöhter Konsum vor allem gesunder mehrfach-ungesättigter Fette aus Fisch, Algen aber auch Olivenöl zu empfehlen (Mumford 2016, Gilman 2017).

Antioxidantien

Die Produktion der Schilddrüsenhormone ist ein Prozess, bei dem stets Oxidationsprozesse stattfinden und folglich sogenannte freie Radikale gebildet werden. Im Falle einer Entzündung können diese Oxidationsprozesse das normale Maß übersteigen und mitunter sogar schädliche Auswirkungen haben.

Daher wird bei Schilddrüsenerkrankungen wie HT der Einsatz von Antioxidantien aus beispielsweise Curcuma oder selenhaltigen Nahrungsmitteln wie Fisch angeraten (Knight 2000, Gärtner 2002, Negro 2008, Nabavi 2011, Aggarwal 2009).

Natürlich sollte am Beginn einer jeden Intervention bei HT eine ausführliche Anamnese sowie eine fachgerechte Diagnostik eines ausgebildeten Mediziners beziehungsweise Therapeuten stehen.

Diesbezügliche Fragen können gerne an die Emailadresse patient@heilpraxis-tomfox.de gestellt werden.

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Literatur

 

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