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Antibiotika – Hoffnung oder Fluch bei Autoimmunerkrankungen?

Geschrieben von:

Kornelia C. Rebel

Medizinisch überprüft von:

Inhaltsüberblick

Zuletzt aktualisiert am 1. November 2020 um 17:01

Was sind Antibiotika?

Der Name für Antibiotika kommt von dem Begriff „Antibiose“, den der französische Arzt Paul Vuillemin bereits 1889 eingeführt hat. Er beschreibt Lebewesen, die das Wachstum hemmen. Antibiotika sind Substanzen, die entweder das Wachstum von Bakterien hindern oder sie abtöten. Antibiotika wirken nicht gegen Viren. Sie sind also bei Erkältungen nutzlos (und werden dennoch häufig verschrieben).

Die Geschichte der Antibiotika beginnt im Jahr 1893, als der italienische Mikrobiologe Bartolomeo Gosio Mycophenolsäure von Schimmelpilzen der Gattung Penicillin isolierte. Damit bekämpfte er erfolgreich Erreger des Milzbrandes. Seine Entdeckung verhallte jedoch ungehört. Vier Jahre später veröffentlichte der französische Arzt Ernest Duchesne seine Doktorarbeit. Er hatte beobachtet, dass Stallknechte die Sättel von Pferden bewusst mit Schimmelpilzen besiedelten. Der Grund: Die wundgescheuerte Haut der Pferde heilte so schneller. Duchesne studierte anschließend die Wirkung von Penicillium glaucum auf die Bakterien Escherichia coli in exakten Experimenten. Seine Doktorarbeit wurde jedoch abgelehnt.

Berühmt wurde nur Alexander Fleming, der als Entdecker des Penicillin galt. Er veröffentlichte seine Erkenntnisse bereits 1929. Der erste Patient wurde jedoch erst 1941 mit Penicillin behandelt. Tatsächlich hatten die alliierten Kräfte durch den Einsatz erster Antibiotika im zweiten Weltkrieg einen entscheidenden Vorteil gegenüber den Deutschen: Verwundete Soldaten konnten bei Infekten und Wundbrand schneller genesen und zurück an die Front geschickt werden.

Das Antibiotikum Penicillin konnte nicht synthetisiert werden, sondern musste durch die Pilze hergestellt werden. Dieser Prozess wird auch als Oberflächenkultur bezeichnet und ist vergleichsweise umständlich. Jahre vergingen, bis Penicillin in höheren Mengen zur Verfügung stand. Der Erfolg von Penicillin führte zum Siegeszug der Antibiotika. Vorher waren bakterielle Infektionen für jeden dritten Todesfall in der westlichen Welt verantwortlich. Heute stehen uns Streptomycin, Chloramphenicol, Tetracyclin, Aureomycin und viele andere Antibiotika zur Verfügung.

2019 haben Antibiotika einen Marktanteil von 13 Prozent an allen pharmazeutisch verkauften Produkten. Von den insgesamt 8.000 bekannten antibakteriellen Substanzen werden nur rund 80 tatsächlich bei der Behandlung von Krankheiten eingesetzt. In Deutschland gibt es über 2.700 zugelassene Präparate mit Antibiotika.

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Wann wirken Antibiotika?

Genau genommen heißt das Medikament Antibiotikum. Antibiotika ist der Plural, hat sich aber im Deutschen als allgemeiner Name für diese Art von Medikamenten eingebürgert. Wie schnell wirken Antibiotika? Auf diese Frage gibt es glücklicherweise eine einfache Antwort. Die Arznei entfaltet idealerweise innerhalb eines Tages ihre Wirkung, bei intravenöser Gabe innerhalb weniger Stunden. Die Symptome einer Entzündung sollten sich deutlich bessern. Bemerken Sie nach 72 Stunden noch immer nichts, sollten Sie erneut zum Arzt gehen. In diesem Fall schlägt das Antibiotikum vermutlich nicht an.

Bindehautentzündung: Wie lange ansteckend mit Antibiotika?

Bei einer bakteriellen Bindehautentzündung wirken Augentropfen mit Antibiotika ebenfalls schnell. Nach drei Tagen Behandlung ist die Entzündung an der Bindehaut nicht mehr ansteckend. In der Zwischenzeit sollten Sie auf peinliche Hygiene achten, damit sich nicht andere Familienmitglieder infizieren. So sollte jedes Mitglied eines Haushalts ein anderes Handtuch benutzen. Durch Viren verursachte Bindehautentzündungen sind ansteckend, so lange Symptome sichtbar sind. Bei einer Konjunktivitis (chronische Entzündung der Bindehaut) sollten Sie auf jeden Fall einen Augenarzt aufsuchen.

Wie wirken Antibiotika?

Alle Antibiotika wirken auf zwei verschiedene Arten. Bakteriostatische Antibiotika hindern Bakterien an der Vermehrung, können sie aber nicht töten. Bakterizide Antibiotika (1) töten die Keime, beispielsweise, indem sie die Zellwand angreifen und die Zellen „platzen“ (lysieren). Bei der Entwicklung von Antibiotika konzentrieren sich Forscher auf Strukturen und Mechanismen von Bakterien, die sich von menschlichen oder tierischen Zellen unterscheiden. So besteht die Zellwand von Bakterien aus dem Zucker Murein. Bakterien nutzen auch andere Substanzen für die Synthese von Proteinen und für die DNA-Vermehrung als Menschen. Manche Antibiotika wirken nur gegen bestimmte Bakterien. Andere, sogenannte Breitbandantibiotika, können eine Vielzahl verschiedener Bakterien unschädlich machen.

Antibiotika: Wie lange einnehmen?

Wichtig ist bei der Einnahme, dass Sie sich an die Anweisungen des Arztes halten. Früher galt die Daumenregel: Antibiotika auf keinen Fall zu früh abbrechen und immer die ganze Packung nehmen. Man ging davon aus, dass eine zu kurze Behandlung mit Antibiotika die Resistenzen von Bakterien (2) fördert. Doch allzu häufiger Einsatz von Antibiotika und ein Mangel an Forschung, um neue Antibiotika zu finden, scheinen stattdessen für die Resistenzen verantwortlich zu sein (3). Wissenschaftler sprechen bereits von der Antibiotika-Resistenzkrise, bedingt durch allzu häufigen Einsatz und fehlende neue Medikamente.

Deshalb hat sich mittlerweile die offizielle Haltung geändert. Die Weltgesundheitsorganisation WHO (4) empfiehlt heute Patienten nur, dem Rat des verschreibenden Arztes zu folgen. Verantwortlich dafür sind neue Erkenntnisse: Bereits im Jahr 2002 stellten australische Ärzte (5) fest, dass Antibiotika bei Harnwegserkrankungen von Kindern in 2 bis 4 Tagen ebenso gut wirken wie bei einer Einnahme über 7 bis 14 Tage hinweg. Aus diesem Grund gilt heute: Antibiotika so kurz wie möglich, aber so lange wie nötig einnehmen. Bevor Sie das Medikament vorzeitig absetzen, sollten Sie aber unbedingt mit Ihrem Arzt sprechen.

Antibiotika richtig einnehmen

Wechselwirkungen zwischen Antibiotika und anderen Medikamenten und Mineralstoffen sind häufig. Wissenschaftler sehen in unerkannten Wechselwirkungen sogar einen Grund für die Zunahme von resistenten Bakterienstämmen (6). Deshalb sollten Sie bei der Einnahme von Antibiotika auf jeden Fall den Hinweisen Ihres Arztes folgen und ihn gegebenenfalls fragen.

Manche Mineralstoffe können die Wirkung von Antibiotika abschwächen. So beeinflussen Kalzium, Magnesium, Zink und Eisen die Aufnahme von Tetracyclinen und Fluorchinolonen. Deshalb empfiehlt es sich nicht, Antibiotika während oder nach einer Mahlzeit einzunehmen oder sie mit Mineralstoffpräparaten zu kombinieren. Ein paar Minuten vor dem Essen ist ein guter Zeitpunkt für die Einnahme von Antibiotika. Wichtig ist, dass Sie die Tablette oder Kapsel mit viel Wasser hinunterspülen. Das schont nicht nur den Magen, sondern sorgt auch dafür, dass die Arznei gut durch die Speiseröhre gelangt.

Auch Mittel, die Magensäure neutralisieren, sogenannte Antazida, behindern die Wirkung des Medikaments. Darüber hinaus können Antibiotika Wechselwirkungen mit zahlreichen Arzneien erzeugen (7). Weisen Sie Ihren Arzt darauf hin, wenn Sie ein bestimmtes Medikament langfristig einnehmen und er mit Ihrer Krankheitsgeschichte nicht vertraut ist. Zum Beispiel kann ein Antibiotikum den verhütenden Effekt der Anti-Baby-Pille verringern (8).

Wie lange wirken Antibiotika im Körper nach?

Einfache Frage, schwierige Antwort: Viele Faktoren beeinflussen, wie schnell der Körper Antibiotika verarbeiten kann. In der Regel braucht der Körper nur 6 bis 12 Stunden, um das Medikament komplett zu entfernen. Aber manche Antibiotika können bis zu 14 Tage lang im Körper bleiben. Folgende Faktoren (9) beeinflussen, wie lange Antibiotika im Körper bleiben:

  • Die Art des Medikaments: Injektionen verschwinden in der Regel innerhalb von 12 Stunden restlos. Bei Tabletten kann sich dieser Zeitraum bis zu drei Tage lang hinziehen.
  • Das Alter des Patienten: Je älter Sie sind, desto länger braucht Ihr Körper für die Verarbeitung von Antibiotika.
  • Chronische Krankheiten: Wenn Sie an einer chronischen Erkrankung leiden und/oder dauerhaft Medikamente einnehmen, verzögert sich das Ausscheiden von Antibiotika ebenfalls.
  • Lebensstil: Sie ernähren sich gesund und bewegen sich regelmäßig? In diesem Fall wird Ihr Körper die Antibiotika schneller abbauen als wenn Sie stark rauchen, viel Alkohol trinken und sich ungesund ernähren.

Nebenwirkungen von Antibiotika

So vielfältig wie die Antibiotika selbst, sind auch die Nebenwirkungen dieser Medikamente. Sie greifen alle Bakterien im Körper an und können nicht zwischen nützlichen und schädlichen Keimen unterscheiden. Beschwerden im Magen-Darm-Trakt gehören zu den häufigsten Nebenwirkungen, weil Antibiotika die Darmflora zumindest teilweise vernichten. Dadurch kann es nach Antibiotika-Einnahme zur Infektion mit „opportunistischen Pathogenen“ kommen. Dabei nutzen Krankheitserreger die Lücke in der Darmflora, die durch die Antibiotika gerissen wurde, um den Körper zu befallen. Clostridium difficile-Infektionen sind hier sehr problematisch.

Allergische Reaktionen, zum Beispiel gerötete Haut und Juckreiz, sind ebenfalls häufig Nebenwirkungen.

Frauen müssen sich während und nach der Einnahme von Antibiotika vor Pilzinfektionen in Acht nehmen, denn Antibiotika greifen auch die Bakterien der Schleimhäute an und erleichtern so eine Pilzinfektion. Öffentliche Schwimmbäder sollten sie deshalb besser meiden.

Wichtig: Schwangere Frauen sollten Ihren Arzt eingehend befragen, bevor Sie Antibiotika nehmen. Eine kanadische Studie (10) aus dem Jahr 2017 hat gezeigt, dass Antibiotika spontane Fehlgeburten auslösen können.

Welche Antibiotika enthalten Fluorchinolone?

Fluorchinolone, eine Gruppe von Antibiotika, können gefährliche Nebenwirkungen (11) verursachen. Außerdem erhöhen sie das Risiko für Aortenaneyrisma (12). Zu den Nebenwirkungen zählen:

  • Leberschäden
  • Angstzustände und Panikattacken
  • Sehnenrisse und Taubheitserscheinungen
  • Selbst Monate nach dem Absetzen der Fluorchinolone können diese Nebenwirkungen andauern.

Folgende Antibiotika enthalten Fluorchinolone:

  • Norfloxacin
  • Enoxacin
  • Ciprofloxacin
  • Levofloxacin
  • Ofloxacin
  • Moxifloxacin
  • Lomefloxacin
  • Nadifloxacin

Antibiotika und das Mikrobiom

Antibiotika schädigen unser Mikrobiom („Darmflora“). Darüber besteht kein Zweifel. Doch wie stark sind die Schäden? Eine internationale Forschergruppe hat 2018 eine Studie (13) über dieses Thema veröffentlicht. Demnach erholt sich bei gesunden Erwachsenen die Darmflora innerhalb von sechs Monaten. Die Besiedelung erfolgt stufenweise. Zuerst tauchen vermehrt Bakterien wie Enterococcus faecalis oder Fusobacterium nucleatum auf, die dem Menschen eher schaden können. Während der ersten Wochen nach der Therapie ist das Risiko am größten, besonders in dieser Zeit werden probiotische Nahrungsmittel sehr empfohlen.

Deshalb sind langwierige Magen-Darm-Störungen nach Antibiotika so häufig. Mit der Zeit gewinnen nützliche Bifidobakterien wieder die Oberhand. Bestimmte Bakterienstämme kehren jedoch nicht zurück. Außerdem stellten die Wissenschaftler eine höhere Anzahl von Resistenzgenen in den Bakterien fest.

Probiotika: Ja oder Nein?

Um die Darmflora wiederherzustellen, empfahlen Experten bisher die Einnahme von Probiotika – guten Darmbakterien in Kapsel- oder Pulverform. Doch zwei neue Studien aus Israel versehen diese Vorgehensweise mit Fragezeichen. Im Jahr 2018 veröffentlichten israelische Wissenschaftler zwei Studien, die sich mit der Besiedelung der Darmwände durch probiotische Präparate befassen.

In der ersten Studie (14) wurde das Mikrobiom von 15 gesunden Erwachsenen untersucht. Das Ergebnis: Das Verdauungssystem mancher Personen akzeptierte die Probiotika, andere dagegen zeigten keinen Effekt. Anhand des vorhandenen Mikrobioms konnten die Wissenschaftler sogar voraussagen, welche Teilnehmer wahrscheinlich negativ auf Probiotika reagieren würden.

Bei der zweiten Studie (15) gaben die Forscher 21 Teilnehmern Antibiotika. Anschließend erhielt eine Gruppe generische Probiotika, eine Gruppe ein Mikrobiom-Transplantat aus ihren eigenen Darmbakterien und eine dritte Gruppe bekamt nichts. Zur Überraschung der Forscher verzögerten die Probiotika die Wiederherstellung der normalen Darmflora für Monate. Das Transplantat funktionierte dagegen innerhalb von wenigen Tagen. Die Wissenschaftler schlossen daraus, dass frei verkäufliche Probiotika in vielen Fällen nutzlos sind.

Kritik an Studien

Die Hersteller von Probiotika waren mit diesen Studien natürlich nicht glücklich. Auch andere Experten vermerkten, dass die Teilnehmerzahl sehr klein war. Außerdem wurde nur ein Antibiotikum und ein Probiotikum untersucht. Das lässt kaum allgemein gültige Aussagen zu. Die American Gastroenterological Association wies in einer Stellungnahme (16) darauf hin, dass die Ergebnisse der israelischen Studien nicht ausschließen, dass Probiotika nutzlos sind. Sie zeigten jedoch, dass Menschen unterschiedlich auf ein probiotisches Produkt reagieren können.

Eine Meta-Studie (17) kam im Jahr 2012 zu dem Schluss, dass sich Probiotika bei durch Antibiotika verursachten Durchfall günstig auswirken. Dafür durchsuchten die Fachleute zwölf elektronische Datenbanken für Studien, die sich mit dem Thema befassten. Dr. Emeran A. Mayer (18) von der University of California in Los Angeles, Autor des Buches ‚Mind Gut Connection’ (19), hält fermentierte Lebensmittel wie nicht pasteurisiertes Sauerkraut, Kimchi oder Kombucha für günstig nach der Einnahme von Antibiotika.

Probiotika, Antibiotika und die Praxis

Trotz der nicht eingängigen Studienergebnisse hat die Praxis immer wieder gezeigt, dass probiotische Nahrungsmittel während und nach einer Antibiotika-Therapie sehr wirkungsvoll und gesund sind. Sie können zwar die Rückbesiedelung des Darmes etwas hinauszögern, wirken sich aber positiv auf Stoffwechsel und Immunsystem aus, und schützen vor opportunistischen Krankheitserregern wie C. difficile.

Nahrungsmittel, die das Siegel „probiotisch“ verdienen, sind Naturjoghurt, Sauerkraut, Kimchi, Wasserkefir, Milchkefir, Kombucha, Apfelessig, und sonstiges fermentiertes Gemüse.

Das Mikrobiom und Autoimmunerkrankungen

Schäden an der Darmflora durch Antibiotika sind für alle Menschen mit Autoimmunerkrankungen wie Colitis ulcerosa, Morbus Crohn oder rheumatoide Arthritis ein wichtiges Thema. Bereits 300 Jahre vor Christus sagte der griechische Mediziner Hippokrates: „Der gesunde Darm ist die Wurzel aller Gesundheit.“ Mediziner sind heutzutage in der Lage, nur durch die Analyse der Darmbakterien zwischen entzündlichen Darmerkrankungen und dem Reizdarmsyndrom zu unterscheiden. Eine geschwächte Darmflora kann die Entstehung von Autoimmunerkrankungen wie Zöliakie (20) fördern.

Wir meinen: Etwas ist besser als nichts. Wenn Sie für eine akute Entzündung Antibiotika nehmen müssen, leidet zweifellos Ihre Darmflora. Probiotika können die Wiederherstellung des Mikrobioms vielleicht verzögern. Auf keinen Fall scheinen sie jedoch die Darmflora zu schädigen. Falls Ihnen die Wirkung von probiotischen Präparaten zu unsicher ist, können Sie auf fermentierte Lebensmittel zurückgreifen. Auf diese Weise führen Sie Ihrem Darm auf jeden Fall eine reiche Palette guter Darmbakterien und Nährstoffe zu. Noch besser ist eine komplette Darmsanierung, die Ihre Darmflora von Grund auf wieder aufbaut.

Antibiotika und Autoimmunerkrankungen

Für lange Zeit galten Antibiotika als hervorragende Medikamente, um akute Entzündungen von Autoimmunerkrankungen zu behandeln. Beispielsweise empfiehlt eine 2014 veröffentlichte Studie (21) von israelischen Wissenschaftlern, frühe und milde rheumatoide Arthritis mit Makroliden, Fluorchinolonen oder Minocylin zu behandeln. Auch beim Antiphospholipid-Syndrom raten die Forscher, Antibiotika als Teil der Standard-Therapie zu betrachten.

Nützlich können Antibiotika auch sein, wenn das Mikroorganismen wie zum Beispiel das Bakterium Enterococcus gallinarum aus dem Darm ausbricht und in andere Organe eindringt. Eine Studie (22) der Yale University zeigte 2018, dass diese Bakterien bei Menschen und Mäusen Autoimmunreaktionen auslösen können. Antibiotika können dieses Bakterium wirksam bekämpfen.

Allerdings legt eine Studie (23) auch den Verdacht nahe, dass Antibiotika selbst Autoimmunerkrankungen auslösen können. Wissenschaftler untersuchten dabei Gentamicin. Sie fanden heraus, dass Gentamicin zwar Bakterien wirksam bekämpft. Gleichzeitig veranlasst es aber auch normale Zellen, abnormale Proteine herzustellen. Diese haben das Potenzial, eine Autoimmunreaktion auszulösen.

Erkrankungen, die auf Antibiotika ansprechen

Bei einer akuten Infektion mit Bakterien und auch bei Parasiten können Antibiotika rasch helfen. Wenn eine bakterielle Entzündung sich auszuweiten droht, lohnt sich der Einsatz dieser Medikamente. Antibiotika sind in Deutschland grundsätzlich verschreibungspflichtig. Wichtig ist, dass Ihr Arzt vor der Einnahme von Antibiotika den Verursacher der Krankheit klärt. Der Grund: Gegen Viren wirken Antibiotika nicht. Erkältungen und damit verbundene Entzündungen sind meist auf Viren zurückzuführen. Sie können aber mit bakteriellen Infektionen einhergehen oder von Bakterien verursacht sein. Bei folgenden Krankheitsbildern ist die Einnahme von Antibiotika sinnvoll:

  • Bronchitis: Eine bakterielle Entzündung der Bronchien dauert länger als sieben Tage. Ein Anzeichen für die Besiedlung der Schleimhaut der Bronchien mit Bakterien ist gelb-grüner Auswurf beim Husten.
  • Mandelentzündung (Tonsillitis): Wenn Bakterien eine Mandel- oder Rachenentzündung verursachen, reagiert der Körper in der Regel mit hohem Fieber. Dieses Fieber kann mehrere Tage andauern. Geschwollene Lymphknoten und ein gelblicher Belag auf den Mandeln sind weitere Anzeichen.
  • Mittelohrentzündungen: Besonders Kinder sind häufig von diesen Infektionen betroffen. Hier sollten Sie nicht lange warten, bevor Sie zu Antibiotika greifen. Eine Entzündung nahe am Gehirn sollten Sie so schnell wie möglich bekämpfen.
  • Darminfekte (Enteritis, Kolitis): Gelangen Bakterien mit der Nahrung in den Darm, können sie lang anhaltenden Durchfall, Bauchkrämpfe und Erbrechen auslösen. Hält Durchfall länger als drei Tage an, sollte Ihr Arzt eine Stuhlprobe untersuchen lassen. Bakterien wie Shigellen, Salmonellen oder Staphylokokken müssen Sie mit Antibiotika behandeln lassen. Auch Parasiten wie Amöben lassen sich mit diesen Medikamenten vernichten.
  • Blasenentzündung und Harnwegsinfekte: Bakterien können über die Harnröhre leicht zur Blase gelangen. Schmerzen beim Wasserlassen und Fieber, das länger als zwei Tage anhält, sind die Warnzeichen für eine schwere Infektion. In diesem Fall sollten Sie zum Arzt gehen.
  • Entzündete Wunden: Wenn Bakterien in Hautwunden gelangen, können sie rasch Entzündungen verursachen. Gefährlich werden diese Infektionen, wenn die Bakterien in die Blutbahn gelangen. Entzündete Wunden sollten Sie Ihrem Arzt zeigen. Er kann entscheiden, ob eine Salbe mit Antibiotika ausreicht oder ob die Einnahme von Tabletten nötig ist.

Klassen von Antibiotika und bekannte Vertreter

Antibiotika lassen sich je nach Wirkweise in verschiedene Klassen einteilen. Insgesamt gibt es rund 20 verschiedene Klassen von Antibiotika. Die Pharmaindustrie ist ständig auf der Suche auf neuen Wirkstoffen und bringt relativ regelmäßig neue Medikamente auf den Markt. Hier stellen wir Ihnen die wichtigsten Klassen und ihre Vertreter vor:

Exkurs: Grampositive und gramnegative Bakterien

Alle Bakterien kann man je nach Aufbau ihrer Zellmembran in Grampositive und Gramnegative einteilen. Erstere haben eine sehr dicke Zellwand, die aus bis zu 40 Schichten Peptidoglycan und Murein besteht. Gramnegative haben nur eine Mureinschicht. Antibiotika können auch dahingehend eingeteilt werden, ob sie gegen Grampositive oder Gramnegative wirken, oder gegen beide.

ß-Lactame

Diese Antibiotika sind die ältesten Vertreter dieser Medikamente. ß-Lactame hemmen die Bildung der bakteriellen Zellwand – es entstehen Löcher in derselben, die Bakterien platzen innerhalb kurzer Zeit. Daher wirken ß-Lactame bakterizid. Wichtige Vertreter sind Penicilline und Cephalosporine.

Sie werden nach wie vor vielfältig eingesetzt – zum Beispiel bei Infektionen im Hals-Nasen-Ohren-Bereich (HNO) oder auch bei Problemen mit Atemwegen sowie Zahnfleisch- und Kieferentzündungen. Wirkstoffe wie Penicillin V und Penicillin G, Ampicillin und Amoxicillin zählen zu den Penicillinen.

Polyketide

Ebenso weit verbreitet wie die Penicilline sind die Polyketide, zu denen das bekannte und bewährte Tetrazyklin und die Makrolide gehören. Polyketide hemmen die bakterielle Bildung von Proteinen, was das Wachstums quasi zum Stillstand bringt.

Tetrazykline wirken gut bei Infektionen der Haut, der Galle und der Geschlechtsorgane. Auch bei HNO-Entzündungen und bei von Zecken übertragener Borreliose verordnen Ärzte gerne Tetracycline. Bekannte Vertreter sind Doxycyclin, Chlortetracyclin, Minocyclin, Oxytetracyclin, Tetracyclin und Tigecyclin.

Makrolide wirken besonders gut bei Infektionen der Haut. Neben dem bekannten Erythromycin zählen neue Wirkstoffe wie Azithromycin, Clarithromycin und Roxithromycin zu den Makroliden.

Chinolone

Chinolone werden synthetisch hergestellt. Sie hemmen ein bakterielles Enzym namens Gyrase, was das bakterielle Wachstum zum Erliegen bringt.

Bei Entzündungen des Magen-Darm-Trakts, der Harnwege und der Atemwege haben sich Chinolone bewährt. Bekannte Vertreter dieser Antibiotikagruppe sind Norfloxacin, Ofloxacin und Ciprofloxacin.

Lincosamide

Lincosamide hemmen ebenfalls wie Polyketide die bakterielle Proteinbildung.

Bei Entzündungen von Knochen ist diese Klasse von Antibiotika besonders effektiv. Deshalb werden sie häufig bei Infektionen im Kieferbereich verordnet. Wenn Patienten überempfindlich auf Penicillin reagieren, bekommen sie oft Lincosamide wie Clindamycin. Diese Antibiotika sind auch wirksam gegen Staphylokokken und Streptokokken und haben sich beim toxischen Syndrom bewährt.

Sulfonamide

Diese Klasse von Antibiotika wird heute nur noch selten eingesetzt, weil sie häufig unerwünschte Nebenwirkungen auslöst. Allerdings kann es sinnvoll sein, Harnwegsinfektionen mit Cotrimoxazol zu behandeln. Dieses Medikament enthält das Sulfonamid Sulfamethoxazol mit dem Antibiotikum Trimethoprim. Es reichert sich in den Harnwegen an. Auch eine Pneumocystis-Pneymonie oder Toxoplasmose wird häufig mit Cotrimoxazol behandelt.

Antibiotika: Fluch und Segen

Bei einer akuten Entzündung durch Bakterien kann ein Antibiotikum rasch helfen. Auch wenn Antibiotika zahlreiche Nebenwirkungen haben: Im Notfall können sie das Ausbreiten von Bakterien wirkungsvoll verhindern und Leben retten – zum Beispiel, wenn sich eine Entzündung im Ohr aufs Gehirn auszuweiten droht.

Doch Antibiotika vernichten auch nützliche Bakterien im Darm. Patienten mit Autoimmunerkrankungen sollten nach der Einnahme von Antibiotika auf jeden Fall versuchen, mithilfe einer Darmsanierung, Probiotika oder fermentierten Lebensmitteln ihre Darmflora schnell aufzubauen. Ansonsten kann ein maroder Darm Symptome von Autoimmunerkrankungen verschlimmern.

Welche Erfahrungen haben Sie mit Antibiotika gemacht? Wir würden uns über einen Kommentar sehr freuen.

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[su_spoiler title=“Quellenverzeichnis“]

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(2)Martínez J. L. (2017). Effect of antibiotics on bacterial populations: a multi-hierachical selection process. F1000Research, 6, 51. doi:10.12688/f1000research.9685.1 (https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5247793/)

(3)Ventola C. L. (2015). The antibiotic resistance crisis: part 1: causes and threats. P & T : a peer-reviewed journal for formulary management, 40(4), 277-83. (https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4378521/)

(4) https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/antibiotic-resistance

(5) Michael, M., Hodson, E. M., Craig, J. C., Martin, S., & Moyer, V. A. (2002). Short compared with standard duration of antibiotic treatment for urinary tract infection: a systematic review of randomised controlled trials. Archives of disease in childhood, 87(2), 118-23. (https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC1719177/)

(6) Yeh, P. J., Hegreness, M. J., Aiden, A. P., & Kishony, R. (2009). Drug interactions and the evolution of antibiotic resistance. Nature reviews. Microbiology, 7(6), 460-6. (https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2855488/)

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(8) Dickinson BD, Altman RD, Nielsen NH, Sterling ML; Council on Scientific Affairs, American Medical Association. Drug interactions between oral contraceptives and antibiotics. Obstet Gynecol. 2001 Nov;98(5 Pt 1):853-60. Review. PubMed PMID: 11704183. (https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/11704183)

(9) Baietto, L., Corcione, S., Pacini, G., Perri, G. D., D’Avolio, A., & De Rosa, F. G. (2014). A 30-years review on pharmacokinetics of antibiotics: is the right time for pharmacogenetics?. Current drug metabolism, 15(6), 581-98. (https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4435065/)

(10) Muanda, F. T., Sheehy, O., & Bérard, A. (2017). Use of antibiotics during pregnancy and risk of spontaneous abortion. CMAJ : Canadian Medical Association journal = journal de l’Association medicale canadienne, 189(17), E625-E633. (https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5415390/)

(11) https://www.aerzteblatt.de/archiv/24972/Unerwuenschte-Wirkungen-und-Risiken-von-Fluorchinolonen

(12) Pasternak Björn, Inghammar Malin, SvanströmHenrik. Fluoroquinolone use and risk of aortic aneurysm and dissection: nationwide cohort studyBMJ 2018; 360 :k678. (https://www.bmj.com/content/360/bmj.k678)

(13) Palleja A, Mikkelsen KH, Forslund SK, Kashani A, Allin KH, Nielsen T, Hansen TH, Liang S, Feng Q, Zhang C, Pyl PT, Coelho LP, Yang H, Wang J, Typas A, Nielsen MF, Nielsen HB, Bork P, Wang J, Vilsbøll T, Hansen T, Knop FK, Arumugam M, Pedersen O. Recovery of gut microbiota of healthy adults following antibiotic exposure. Nat Microbiol. 2018 Nov;3(11):1255-1265. doi: 10.1038/s41564-018-0257-9. Epub 2018 Oct 22. PubMed PMID: 30349083. (https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/30349083)

(14) Zmora N, Zilberman-Schapira G, Suez J, Mor U, Dori-Bachash M, Bashiardes S, Kotler E, Zur M, Regev-Lehavi D, Brik RB, Federici S, Cohen Y, Linevsky R, Rothschild D, Moor AE, Ben-Moshe S, Harmelin A, Itzkovitz S, Maharshak N, Shibolet O, Shapiro H, Pevsner-Fischer M, Sharon I, Halpern Z, Segal E, Elinav E. Personalized Gut Mucosal Colonization Resistance to Empiric Probiotics Is Associated with Unique Host and Microbiome Features. Cell. 2018 Sep 6;174(6):1388-1405.e21. doi: 10.1016/j.cell.2018.08.041. PubMed PMID: 30193112. (https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/30193112)

(15) Suez J, Zmora N, Zilberman-Schapira G, Mor U, Dori-Bachash M, Bashiardes S, Zur M, Regev-Lehavi D, Ben-Zeev Brik R, Federici S, Horn M, Cohen Y, Moor AE, Zeevi D, Korem T, Kotler E, Harmelin A, Itzkovitz S, Maharshak N, Shibolet O, Pevsner-Fischer M, Shapiro H, Sharon I, Halpern Z, Segal E, Elinav E. Post-Antibiotic Gut Mucosal Microbiome Reconstitution Is Impaired by Probiotics and Improved by Autologous FMT. Cell. 2018 Sep 6;174(6):1406-1423.e16. doi: 10.1016/j.cell.2018.08.047. PubMed PMID: 30193113. (https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/30193113)

(16) https://www.gastro.org/press-release/agas-interpretation-of-the-latest-probiotics-research

(17) Hempel S, Newberry SJ, Maher AR, Wang Z, Miles JN, Shanman R, Johnsen B, Shekelle PG. Probiotics for the prevention and treatment of antibiotic-associated diarrhea: a systematic review and meta-analysis. JAMA. 2012 May 9;307(18):1959-69. doi: 10.1001/jama.2012.3507. Review. PubMed PMID: 22570464. (https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22570464)

(18) https://www.healthline.com/health-news/should-you-take-a-probiotic-while-taking-an-antibiotic#Other-options-to-strengthen-the-gut-microbiome

(19) http://emeranmayer.com/book/

(20) Marasco G, Di Biase AR, Schiumerini R, Eusebi LH, Iughetti L, Ravaioli F, Scaioli E, Colecchia A, Festi D. Gut Microbiota and Celiac Disease. Dig Dis Sci. 2016 Jun;61(6):1461-72. doi: 10.1007/s10620-015-4020-2. Epub 2016 Jan 2. Review. PubMed PMID: 26725064. (https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/26725064)

(21) https://www.openaccessjournals.com/articles/antibiotic-therapy-in-autoimmune-disorders.pdf

(22) Manfredo Vieira S, Hiltensperger M, Kumar V, Zegarra-Ruiz D, Dehner C, Khan N, Costa FRC, Tiniakou E, Greiling T, Ruff W, Barbieri A, Kriegel C, Mehta SS, Knight JR, Jain D, Goodman AL, Kriegel MA. Translocation of a gut pathobiont drives autoimmunity in mice and humans. Science. 2018 Mar 9;359(6380):1156-1161. doi: 10.1126/science.aar7201. Erratum in: Science. 2018 May 4;360(6388):. PubMed PMID: 29590047; PubMed Central PMCID: PMC5959731. (https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/29590047)

(23) Goodenough E, Robinson TM, Zook MB, Flanigan KM, Atkins JF, Howard MT, Eisenlohr LC. Cryptic MHC class I-binding peptides are revealed by aminoglycoside-induced stop codon read-through into the 3′ UTR. Proc Natl Acad Sci U S A. 2014 Apr 15;111(15):5670-5. doi: 10.1073/pnas.1402670111. Epub 2014 Mar 31. PubMed PMID: 24706797; PubMed Central PMCID: PMC3992684. (https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/24706797)

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