Zuletzt aktualisiert am 21. Januar 2023 um 22:13
Zusammenhang klar, aber Mechanismen nicht bekannt
Für die aktuelle Studie analysierten die Wissenschaftler Studien mit großen Datenmengen unter der Leitung von Dr. Emmanuel Adewuyi, Forscher am Center for Precision Health und der Collaborative Genomics and Translation Group an der Edith Cowan University in Australien. Sie wurde in der Fachzeitschrift Communications Biology veröffentlicht.
Die neue Analyse genomweiter Assoziationsstudien zeigt demnach eine positive signifikante genetische Überschneidung und Korrelation zwischen der Alzheimer-Krankheit und chronischen Erkrankungen des Verdauungstrakts wie gastroösophagealer Refluxkrankheit, Magengeschwüren, Gastritis-Duodenitis, Reizdarmsyndrom und Divertikulose. Interessanterweise erstreckt sich diese genetische Verwandtschaft nicht auf entzündliche Darmerkrankungen.
1 Million Betroffene in Deutschland
Die Alzheimer-Krankheit ist die am weitesten verbreitete Form der Demenz, die durch Neurodegeneration und einen fortschreitenden Rückgang der kognitiven Fähigkeiten gekennzeichnet ist. Bis zum Jahr 2030 werden weltweit voraussichtlich über 82 Millionen Menschen – und etwa 152 Millionen bis 2050 – an der Alzheimer-Krankheit leiden. Experten schätzen die Zahl der Betroffenen in Deutschland auf mindestens 1 Million Menschen.
Während für die Alzheimer-Krankheit keine heilenden Behandlungen bekannt sind und ihre Pathogenese noch nicht klar verstanden ist, kann eine umfassende Bewertung ihrer gemeinsamen Genetik mit anderen Krankheiten ein tieferes Verständnis der zugrunde liegenden biologischen Mechanismen liefern. Das könnte helfen, neue Therapien zu entwickeln.
Unklar: Fördern Darmerkrankungen Alzheimer?
Die verfügbaren Beweise deuten auf eine Komorbidität oder einige Formen des Zusammenhangs zwischen der Alzheimer-Krankheit und Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts hin. Allerdings ist dabei nicht klar, ob Merkmale des Verdauungssystems ein Risiko für die Alzheimer-Krankheit darstellen oder umgekehrt.
„Unsere Studie bietet einen neuartigen Einblick in die Genetik hinter dem beobachteten gleichzeitigen Auftreten von Alzheimer und Darmerkrankungen“, sagte Dr. Emmanuel Adewuyi. „Dies verbessert unser Verständnis der Ursachen dieser Erkrankungen und identifiziert neue Ziele, die untersucht werden müssen, um die Krankheit möglicherweise früher zu erkennen und neue Behandlungen für beide Arten von Erkrankungen zu entwickeln.“
PDE4B-Gen besonders interessant
In der Studie analysierten Dr. Adewuyi und Kollegen zusammenfassende Daten aus mehreren genomweiten Assoziationsstudien. Jede dieser Studien umfasst etwa 400.000 Personen. Sie identifizierten genomische Regionen und Gene, die bei der Alzheimer-Krankheit und Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts gemeinsam sind. Diese Gene könnten im Mittelpunkt weiterer Untersuchungen stehen. Besonders von Interesse ist dabei das PDE4B-Gen (und seine Subtypen), das sich bei entzündlichen Erkrankungen als vielversprechend erwiesen hat.
„Unsere Ergebnisse liefern weitere Beweise für das Konzept der ‚Darm-Gehirn‘-Achse, einer wechselseitigen Verbindung zwischen den kognitiven und emotionalen Zentren des Gehirns und der Darmfunktion“, sagte Professor Simon Laws, Forscher am Zentrum für Precision Health und die Collaborative Genomics and Translation Group an der Edith Cowan University und am Curtin Health Innovation Research Institute an der Curtin University.
Anormale Cholesterinwerte mitverantwortlich
Als die Forscher weitere Analysen der gemeinsamen Genetik durchführten, fanden sie andere wichtige Verbindungen zwischen der Alzheimer-Krankheit und Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts – wie etwa die Rolle von Cholesterin. „Es hat sich gezeigt, dass anormale Cholesterinwerte sowohl für die Alzheimer-Krankheit als auch für Darmerkrankungen ein Risiko darstellen“, sagte Dr. Adewuyi.
„Die Betrachtung der genetischen und biologischen Merkmale, die der Alzheimer-Krankheit und diesen Darmerkrankungen gemeinsam sind, legt eine starke Rolle für den Fettstoffwechsel, das Immunsystem und cholesterinsenkende Medikamente nahe.“
Verursachen Darmbakterien abnormale Blutfette?
Während weitere Studien zu den gemeinsamen Mechanismen zwischen den Erkrankungen erforderlich sind, gibt es nach Auskunft der Forscher Hinweise darauf, dass ein hoher Cholesterinspiegel in das zentrale Nervensystem übertragen werden kann, was zu einem abnormalen Cholesterinstoffwechsel im Gehirn führt.
Dr. Adewuyi weiter: „Es gibt auch Hinweise darauf, dass abnormale Blutfette durch Darmbakterien verursacht oder verschlimmert werden können, die alle die potenzielle Rolle abnormaler Lipide bei der Alzheimer-Krankheit und Darmerkrankungen unterstützen.“
Können Statine bei Alzheimer-Krankheit helfen?
„Zum Beispiel wurde ein erhöhter Cholesterinspiegel im Gehirn mit einer Degeneration des Gehirns und einer daraus resultierenden kognitiven Beeinträchtigung in Verbindung gebracht.“
Obwohl derzeit keine heilenden Behandlungen bekannt sind, deuten die Ergebnisse darauf hin, dass cholesterinsenkende Medikamente (Statine) bei der Behandlung sowohl der Alzheimer-Krankheit als auch von Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts therapeutisch vorteilhaft sein könnten. „Es gibt Hinweise darauf, dass Statine Eigenschaften haben, die helfen, Entzündungen zu reduzieren, die Immunität zu modulieren und den Darm zu schützen“, sagte Dr. Adewuyi.
Die Forschung zeigte demnach auch, dass die Ernährung eine Rolle bei der Behandlung und Vorbeugung von Alzheimer und Darmerkrankungen spielen könnte.
Quelle:
Adewuyi, E.O., O’Brien, E.K., Nyholt, D.R. et al. A large-scale genome-wide cross-trait analysis reveals shared genetic architecture between Alzheimer’s disease and gastrointestinal tract disorders. Commun Biol 5, 691 (2022). https://doi.org/10.1038/s42003-022-03607-2 (https://www.nature.com/articles/s42003-022-03607-2)