Zuletzt aktualisiert am 23. November 2022 um 14:51
Osteozyten: Kommandozentrale für gesunden Knochenbau
Anfang Mai veröffentlichten die Forscher ihre bahnbrechende Studie im renommierten Magazin Nature Communications. Sie trägt die Überschrift‚ Osteocyte transcriptome mapping identifies a molecular landscape controlling skeletal homeostasis and susceptibility to skeletal disease, übersetzt: Osteozyten-Transkriptom-Kartierung identifiziert eine molekulare Landschaft, die die Homöostase des Skeletts und die Anfälligkeit für Skeletterkrankungen steuert.
Aufgeschlüsselt in normale Umgangssprache bedeutet das: Die australischen Wissenschaftler haben die Wirkung von Genen in Osteozyten haargenau untersucht – ein Prozess, der auch als Genkartierung bekannt ist.
Osteozyten bilden sozusagen die Kommandozentrale für das Skelett. Dabei handelt es sich um reife Knochenzellen, die vollkommen von der Knochenmatrix umgeben sind. Der zahlenmäßig häufigste Typ der Knochenzellen teilt sich nicht mehr.
Diese Zellen dienen dazu, die Knochenmatrix, die Grundsubstanz der Knochen, zu erhalten. Das schaffen sie, indem sie den Gehalt von Kalzium regulieren. Die sternförmigen Osteozyten haben lange Zellfortsätze, die über die Canaluci ossei, kleine Kanäle in den Knochen, wie ein Netz verbunden sind.
Die aktuelle Studie beschreibt alle Gene, die in Osteozyten ein- oder ausgeschaltet werden. „Diese neuen Informationen bieten eine Art genetische Auswahlliste, auf die wir bei der Diagnose von Knochenerkrankungen mit einer genetischen Komponente zurückgreifen können“, sagt der Hauptautor der Studie, Dr. Scott Youlten, Forschungsbeauftragter im Bone Biology Lab. „Die Identifizierung dieses einzigartigen genetischen Musters wird uns auch helfen, neue Therapien für Knochenerkrankungen zu finden und die Auswirkungen aktueller Therapien auf das Skelett besser zu verstehen.“
Das Skelett ist eine dynamische Struktur, deren Form und Zusammensetzung sich im Laufe des Lebens eines Menschen verändert. Osteozyten steuern diese Anpassungen. Sie sind jedoch nicht einfach zu untersuchen, weil sie in den Knochen eingebettet sind.
Das Netzwerk der Osteozyten vergleichen die Wissenschaftler übrigens an Größe und Komplexität mit dem Gehirn. Ein normaler Mensch verfügt schätzungsweise über 42 Milliarden Osteozyten, die 23 Billionen Verbindungen bilden.
Dieses Netzwerk wacht ständig darüber, dass die Knochen gesund bleiben. Es signalisiert anderen Zellen, je nach Bedarf Knochen auf- oder abzubauen. Genetische Skelettstörungen und Krankheiten wie Osteoporose entstehen, wenn dieses Gleichgewicht gestört ist.
„Viele der Gene, die wir in Osteozyten angereichert gesehen haben, befinden sich auch in Neuronen. Dies ist interessant, da diese Zellen ähnliche physikalische Eigenschaften aufweisen und möglicherweise darauf hindeuten, dass sie enger miteinander verwandt sind als bisher angenommen“, erklärt Dr. Youlten.
Ein Vergleich der Osteozyten-Signaturgene mit humangenetischen Assoziationsstudien zur Osteoporose identifiziert neue Gene, die möglicherweise eine Anfälligkeit für diese häufige Skeletterkrankung signalisieren. Darüber hinaus wurde gezeigt, dass viele dieser Osteozytengene seltene Knochenerkrankungen verursachen.
„Die Kartierung des Osteozytentranskriptoms könnte Klinikern und Forschern helfen, leichter festzustellen, ob eine seltene Knochenerkrankung eine genetische Ursache hat“, sagt Dr. Youlten. Man könne auf mit der Kartierung die Auswahlliste von Genen durchsehen, die eine aktive Rolle bei der Kontrolle des Skeletts spielen.
Professor Peter Croucher, stellvertretender Direktor des Garvan-Instituts und Leiter des Bone Biology Lab, fügte hinzu: „Die Osteozyten-Transkriptomkarte gibt Forschern statt eines kleinen Einblicks zum ersten Mal ein Bild der gesamten Landschaft von Genen, die in Osteozyten eingeschaltet sind.“
Von der Mehrheit dieser Gene sei bisher nicht bekannt gewesen, dass sie eine Rolle für den Knochenbau spielen.
Quelle:
Youlten, S.E., Kemp, J.P., Logan, J.G. et al. Osteocyte transcriptome mapping identifies a molecular landscape controlling skeletal homeostasis and susceptibility to skeletal disease. Nat Commun 12, 2444 (2021). (https://doi.org/10.1038/s41467-021-22517-1)