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Krankes Zahnfleisch drückt aufs Gemüt

Geschrieben von:

Kornelia C. Rebel

Medizinisch überprüft von:

Saskia Bauhausen

Inhaltsüberblick

Zuletzt aktualisiert am 14. Dezember 2022 um 16:44

Hälfte aller Menschen über 30 hat Parodontitis

Die Studienautoren bezeichnen die Ergebnisse ihrer Untersuchung als besonders besorgniserregend, weil sehr viele Erwachsene von Zahnfleischproblemen betroffen sind. Parodontitis und andere Erkrankungen des Zahnfleisches gehören neben Karies zu den häufigsten Krankheiten, die Zähne angreifen.

Die aktuelle Studie der britischen Wissenschaftler belegt nun, dass die Auswirkungen von Parodontitis weit über den Mund hinausgehen können. Demnach kann krankes Zahnfleisch das Risiko für eine Reihe schwerwiegender chronischer Erkrankungen erhöhen. Die Studie stellt fest, dass eine schlechte Zahnfleischgesundheit mit einem Anstieg psychischer Erkrankungen sowie Autoimmun-, Herz-Kreislauf- und Herz-Stoffwechsel-Erkrankungen verbunden ist.

Nach Auskunft der Studienautoren leidet fast die Hälfte, genau 47,2 %, der Menschen über 30 an einer Form von Parodontitis leiden. Bei Menschen ab 65 Jahren steigt diese Zahl auf 70,1 %.

Der leitende Autor der Studie, Dr. Joht Singh Chandan, betonte: „Fortschreitende Erkrankungen der Mundhöhle können zu einer erheblichen Einschränkung der Lebensqualität führen. Bisher war jedoch nicht viel über den Zusammenhang zwischen schlechter Mundgesundheit und vielen chronischen Krankheiten, insbesondere psychischen Erkrankungen, bekannt.“

Aus diesem Grund führte das Team der Forscher eine der bisher größten epidemiologischen Studien dieser Art durch. Dafür verwendeten sie Daten aus der Primärversorgung des Vereinigten Königreichs. Ziel war es, den Zusammenhang zwischen Parodontitis und mehreren chronischen Erkrankungen zu untersuchen.

Um die nicht-zahnärztlichen Auswirkungen der Parodontitis und ihrer Anfangsphase, der Gingivitis, abzuschätzen, identifizierten die Forscher eine Kohorte von 64.379 Erwachsenen im Land mit Zahnfleischproblemen. Diese Beschwerden stammten von den Aufzeichnungen eines Allgemeinarztes (GP).

Das Durchschnittsalter der Kohorte betrug 45 Jahre. 43 % der Gruppe waren männlich und 30 % Raucher. Die Gesundheit jedes Einzelnen wurde durchschnittlich 3,4 Jahre lang verfolgt.

Die Forscher bewerteten das Risiko, zusätzliche Gesundheitsprobleme zu entwickeln, indem sie die Krankengeschichten der Kohorte mit denen einer demografisch übereinstimmenden Kontrollgruppe von 251.161 Personen ohne Parodontitis verglichen. Die Ergebnisse wurden in BMJ Open veröffentlicht, einem der ältesten medizinischen Fachjournale.

Der deutlichste Zusammenhang in der Analyse der Studie bestand zwischen Parodontitis und psychischen Erkrankungen wie Angstzuständen und Depressionen. 37 % der Patienten mit Zahnfleischerkrankungen entwickelten diese mentalen Störungen.

Studienautor und Parodontalspezialist Dr. Devan Raindi wies darauf hin, dass die Folgen von Parodontitis wie Halitosis (Mundgeruch), Beweglichkeit der Zähne und letztendlich Zahnverlust auch eine psychosoziale Auswirkung auf die Betroffenen haben.

Er fügte hinzu: „Dies kann zu einem Verlust des Selbstvertrauens, der Fähigkeit, Kontakte zu knüpfen, sowie zu funktionellen Problemen in Bezug auf Essen und Schmerzen führen.“ Es sei wichtig, sich daran zu erinnern, dass die Entwicklung psychischer Gesundheitsprobleme viele Faktoren beinhaltet. Probleme mit dem Zahnfleisch seien nur ein Aspekt davon.

Autoimmunerkrankungen wie rheumatoide Arthritis, Typ-1-Diabetes, Arthritis und Psoriasis entwickelten sich bei 33 % der Kohorte. Um den Zusammenhang zwischen Zahnfleischerkrankungen und Autoimmunerkrankungen zu erklären, führte Dr. Raindi das Beispiel von Porphyromonas gingivalis an.

Dieses Bakterium verbinde rheumatoide Arthritis und Parodontitis, weil sie bei beiden Krankheiten Proteine durch Enzyme verändere.

Diese Veränderung werde als Citrullinierung bezeichnet, was wiederum zur Produktion von Antikörpern gegen diese Proteine ​​führen könne, sogenannte Antikörper gegen citrullinierte Proteine. Demnach könnten diese Autoantikörper eine Entzündung in Gelenken aufrechterhalten.

Darüber hinaus identifizierte die Studie ein um 18 % erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, ein um 26 % höheres Risiko für die Entwicklung von Typ-2-Diabetes und ein um 7 % höheres Risiko für die Entwicklung von Störungen des Herzstoffwechsels in der Kohorte mit Zahnfleischerkrankungen.

Aber könnten gemeinsame Faktoren sowohl Parodontitis als auch die anderen Erkrankungen in der Studie verursachen? Laut Dr. Raindi kann die vorliegende Studie keine kausalen Beziehungen erklären, sondern nur Verbindungen aufzeigen: „Mein Verständnis in Bezug auf gemeinsame Faktoren hier ist, dass die Studie potenzielle Störfaktoren wie Alter, Geschlecht, Raucherstatus, Deprivationsindex und ethnische Zugehörigkeit berücksichtigt.“

Zudem unterscheidet die aktuelle Studie nicht zwischen Menschen mit Gingivitis, dem Anfangsstadium von Parodontitis, und fortgeschrittener Zahnfleischerkrankung. Dr. Chandan betonte in diesem Zusammenhang, dass die Dauer der Erkrankung in den Daten nicht berücksichtigt wurde. Wichtig sei jedoch, dass bereits eine Erwähnung von Parodontitis durch den Hausarzt einen ernst zu nehmenden Risikofaktor darstellt.

Quelle:

Zemedikun DT, Chandan JS, Raindi D, et al Burden of chronic diseases associated with periodontal diseases: a retrospective cohort study using UK primary care dataBMJ Open 2021;11:e048296. doi: 10.1136/bmjopen-2020-048296 (https://bmjopen.bmj.com/content/11/12/e048296)

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