Zuletzt aktualisiert am 25. November 2022 um 13:51
Chip simuliert das Voranschreiten von Fettleber
In Deutschland leidet bereits jeder vierte Mensch über 40 an NAFL. In anderen Industrieländern sehen die Zahlen ähnlich aus. Zu den Risikofaktoren für die Krankheit zählen Übergewicht, Diabetes, hoher Cholesterinspiegel und schlechte Essgewohnheiten. Mittlerweile entwickeln häufig sogar junge Menschen diese Erkrankung.
Normalerweise befindet sich eine kleine Menge Fett in der Leber. Wenn die Fettmenge 5 Prozent übersteigt, spricht man von NAFL. Sie muss behandelt werden, um ein Fortschreiten der Krankheit zu vermeiden. Im schlimmsten Fall kann NAFL zu Schwellungen und Entzündungen der Leber, Fibrose oder Narbenbildung in der Leber, Leberversagen oder Leberkrebs führen.
Die Leber ist ein komplexes Organ. NAFL entsteht in mehreren Schritten und betrifft verschiedene Arten von Zellen, die in der Leber gefunden werden. Eine abnormale Anreicherung von Fettsäuren in der Leber regt Immunzellen, sogenannte Kupffer-Zellen, an sowie Endothelzellen, die die Blutgefäße der Leber auskleiden. Sie setzen bei einer hohen Menge von Fettsäuren bestimmte Signalstoffe und Moleküle frei. Diese Stoffe stimulieren Zellen, sogenannte Sternzellen, zur Bildung und Ablagerung von Fibroseproteinen, die zur Narbenbildung in der Leber führen.
Das Fortschreiten von NAFL kann durch gesunde Ernährung und Bewegung sowie durch Abnehmen und Gewichtskontrolle gebremst werden. Derzeit gibt es jedoch noch keine zuverlässige Therapie oder Heilung. Eine der Hauptschwierigkeiten bei der Entwicklung von Behandlungen bestand bisher darin, dass es keine genauen NAFL-Modelle gibt.
Tiermodelle bilden die Schritte bei der Entwicklung und beim Voranschreiten von NAFL nur ungenügend ab. Somit konnte die Wirksamkeit von möglichen Therapien bisher nicht getestet werden.
Ein Team des Terasaki-Instituts für biomedizinische Innovation (TIBI) in Los Angeles, Kalifornien, hat jetzt ein strukturell repräsentatives Leber-auf-Chip-Modell entwickelt, das die vollständige Progressionssequenz der NAFL nachahmt. Das Modell auf dem Computerchip enthält alle vier Arten menschlicher Primärzellen, die an der Sequenz beteiligt sind: Kupffer-Zellen, Endothelzellen, Sternzellen und Hepatozyten.
Für das Chip-förmige Lebermodell mischte das Team die vier Arten menschlicher Primärzellen zusammen, um mehrzellige Mikrogewebe in einer Reihe pyramidenförmiger Mikrovertiefungen zu züchten. Die Zellzahlen und -anteile wurden angepasst, um Mikrogewebe mit optimaler Form zu erhalten. Auch die Konzentrationen von Nährstoff- und Sauerstoff werden in den Chips ähnlich wie in natürlich vorkommenden Lebergeweben aufrechterhalten. Die Mikrogewebe wurden dann in eine gallertartige Substanz eingeschlossen, damit die Gewebe besser mit der Struktur und den Zell-Zell-Wechselwirkungen von normalem Lebergewebe übereinstimmen.
Das Team verwendete sein mehrzelliges Leber-auf-einem-Chip-Modell in Tests, um die Rolle von Sternzellen bei der NAFL zu bewerten. Sie kamen zu dem Schluss, dass Sternzellen an der Bildung von Blutgefäßen, der Produktion chemisch reaktiver Verbindungen und bis zu einem gewissen Grad an der Ansammlung von Fettsäuren beteiligt zu sein scheinen. Sie schlussfolgerten auch, dass Sternzellen mit Kupffer und anderen Leberzellen interagieren können, um bestimmte Signalmoleküle zu produzieren. Alle diese Ereignisse sind entscheidende Bestandteile beim Fortschreiten von NAFL.
Die Wissenschaftler testeten auch die Auswirkungen, wenn Fettsäuren zu dem Modell hinzugefügt wurden. Die Ergebnisse zeigten, dass das Vorhandensein von Fettsäuren und aktiven Sternzellen Entzündungsreaktionen beschleunigte und die Produktion von fibrotischen Proteinen erhöhte. Das bestätigt zusätzlich, dass dieses Modell NAFL zuverlässig simuliert.
Außerdem verglichen die Forscher ihr neues Modell mit einem bisher üblichen Konstrukt, das die Entwicklung von Fibrose im Endstadium abbildete. „Unser mehrzelliges Leber-auf-einem-Chip-System ist ein Labormodell, das fortschrittlicher ist und das natürliche Fortschreiten der NAFL vollständiger darstellt als in früheren Modellen“, sagte Dr. Junmin Lee, einer der Studienautoren.
Quelle:
Cho, H‐J., Kim, H‐J., Lee, K., Lasli, S., Ung, A., Hoffman, T., Nasiri, R., Bandaru, P., Ahadian, S., Dokmeci, M. R., Lee, J., Khademhosseini, A., Bioengineered Multicellular Liver Microtissues for Modeling Advanced Hepatic Fibrosis Driven Through Non‐Alcoholic Fatty Liver Disease. Small 2021, 2007425. https://doi.org/10.1002/smll.202007425 (https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/smll.202007425)