Zuletzt aktualisiert am 25. November 2022 um 15:50
Künstliche Intelligenz erstellt zufälligen Wald
Altern ist ein komplizierter Prozess. Das Immunsystem schwächelt, das Krebsrisiko steigt. Muskelschwund ist ein mögliches Problem. Gelenke werden steif und das Gedächtnis funktioniert auch nicht mehr so wie früher, ganz zu schweigen von den Falten auf der Haut und den Pölsterchen, die sich hormonbedingt in der Leibesmitte ansammeln.
Um die Alterungsprozesse zu verstehen, können Wissenschaftler einzelne Stoffwechselfunktionen untersuchen. Eine andere Methode wäre, die genetischen Wurzeln des Alterns zu verfolgen. Das Problem: Tausende von Genen spielen dabei eine Rolle. Ganz zu schweigen von der Genexpression – die Art und Weise, wie unser Stoffwechsel mit den Genen umgeht.
Dieser Vorgang ist als Epigenetik bekannt. Sogenannte epigenetische Tags können die Genexpression verändern. Besonders gut lässt sich das an genetisch identischen Würmern beobachten. Epigenetische Tags können diese einfach strukturierten Tiere unterschiedlich lange leben lassen.
Hier kommen maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz ins Spiel. Sie bieten der Altersforschung zahlreiche Vorteile, weil sie enorme Mengen von Daten verarbeiten können – im Gegensatz zu Wissenschaftlern.
Frühere Studien mit maschinellem Lernen entwickelten bereits Methoden, um altersschwache Zellen zu identifizieren und Substanzen zu finden, die den Alterungsprozess abschwächen könnten.
Eine neue Studie macht beschäftigt sich jetzt mit lebensdauerverlängernden Stoffen für Caenorhabditis elegans. Das ist ein winziger Spulwurm, der ein beliebter Modellorganismus vieler Biologen und Altersforscher ist. Die Ergebnisse von Studien mit Würmern sind zwar nicht auf den Menschen übertragbar. Sie erlauben jedoch gewisse Rückschlüsse, was funktionieren könnte und was nicht.
Wissenschaftler von der britischen Universität in Surrey verwendeten für die aktuelle Studie die DrugAge-Datenbank. Sie enthält Informationen über Medikamente, Verbindungen und Nahrungsergänzungsmittel, die Anti-Aging-Wirkungen in einer Vielzahl von Modellorganismen gezeigt haben.
Unter Verwendung der molekularen Merkmale und Schlüsselworte der Datenbankeinträge entwickelten die Wissenschaftler ein Zufallsforstmodell für maschinelles Lernen. Zufallsforstmodell ist auch als zufälliger Wald bekannt.
Dabei handelt es sich um eine kontrollierte maschinelle Lerntechnik. Sie besteht aus einem Ensemble von sogenannten Entscheidungsbäumen. Jeder Baum wird unabhängig mit einer zufälligen Teilmenge von Daten trainiert.
Für diese Daten entwickelt das Programm anhand von Beobachtungen über das Molekül (die Zweige) Schlussfolgerungen über das Potenzial (die Blätter an den Zweigen). Entwickeln mehrere Bäume für ein Molekül ein ähnliches Aussehen, gilt das als Treffer.
Bei der Studie setzten die Wissenschaftler die Schwelle für einen Treffer auf eine Wahrscheinlichkeit von über 80 Prozent, dass ein Stoff das Leben der Würmer verlängern kann.
Am Ende der Auswertung der Datenbank hatten die Forscher 15 mögliche Kandidaten ermittelt, die das Leben von Caenorhabditis elegans verlängern können. Diese Substanzen lassen sich in drei Gruppen einteilen:
Flavonoide: Diese Gruppe von Polyphenolen sind Pflanzenwirkstoffe, die vor allem in Tee, Obst, Gemüse und Nüssen vorkommen. Besonders aussichtsreich dabei sind Diosmin von Zitrusfrüchten und Rutin von Buchweizen. Zudem scheint die Kombination mit Quercetin (Zwiebeln) und Hesperidin (Zitrusfrüchte) die Wirkung zu verstärken.
Fettsäuren: Gamolensäure von Nachtkerzenöl, Hanfsamen und Hanfsamenöl hat das maschinelle Lernen als besonders aussichtsreich identifiziert.
Organo-Sauerstoff-Verbindungen: Interessanterweise scheinen den Würmern Laktose von Milchprodukten, Saccharose, der Zucker von Früchten, und Lactulose, eine Kombination von Laktose und Galaktose, besonders gut zu bekommen.
Auch Alloin von Aloe Vera und die Antibiotika Fidaxomicin, Rifapentin und Chlortetracyclin können das Leben der Würmer verlängern. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass vielversprechende Verbindungen in Tierversuchen und am Menschen getestet werden sollten.
Die Botschaft zum Mitnehmen: Maschinelles Lernen kann beim Aussieben und beim Gestalten von experimentellen Studien helfen. Ersetzen kann künstliche Intelligenz die Arbeit von Wissenschaftlern keinesfalls.
Quelle:
Kapsiani, Sofia & Howlin, Brendan. (2020). Random forest classification for predicting lifespan-extending chemical compounds. 10.21203/rs.3.rs-118087/v1. (https://www.researchgate.net/publication/347314857_Random_forest_classification_for_predicting_lifespan-extending_chemical_compounds)