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Was ist Antiphospholipid-Syndrom? Ein kleiner Überblick

Geschrieben von:

Martin Auerswald, M.Sc.

Medizinisch überprüft von:

Inhaltsüberblick

Zuletzt aktualisiert am 19. März 2020 um 21:01

Das Antiphospholipid-Syndrom ist mit bis zu vier Millionen Betroffenen in Deutschland eine der häufigsten und am meisten unterschätzten Autoimmunerkrankungen. Was ist Antiphospholipid-Syndrom und was passiert dabei im Körper?

Erfahren Sie hier, was es mit dem Antiphospholipid-Syndrom wirklich auf sich hat.

Was ist eine Autoimmunerkrankung?

Bevor wir klären, was das Antiphospholipid-Syndrom (APS) genau ist, sollte klar sein, was eine Autoimmunerkrankung ist. Denn APS ist eine Autoimmunerkrankung.

Normalerweise sind Immunzellen, also Ihr Immunsystem, dazu da, Fremdstoffe und Krankheitserreger aus dem Körper zu halten und um Wunden zu reparieren und um tote Zellen abzubauen. Ohne das Immunsystem würde der Körper also sehr schnell von Krankheitserregern überrannt werden oder vermüllen.

Die Unterscheidung zwischen Freund und Feind ist zu allen Zeiten absolut essenziell für die Funktion des Immunsystems. Denn Feinde müssen angegriffen und vernichtet werden – und das möglichst schnell. Freunde, also körpereigenen Zellen, sollten verschont werden.

Bei einer Autoimmunerkrankung ist die Unterscheidung zwischen Freund und Feind verloren gegangen. Es kommt zum Angriff von Immunzellen auf körpereigene und gesunde Zellen. Das geschieht über Autoantikörper – Immunproteine, die körpereigene Zellen als „Feind“ markieren. Im Laufe des Autoimmunprozesses wird ein betroffenes Gewebe angegriffen, massiv beschädigt und teilweise zerstört.

Je nachdem, welches Gewebe betroffen ist, sind die Folgen für die Betroffenen einschneidend für die Lebensführung, schmerzhaft und die Gesundheit ist längerfristig reduziert.

Zwischen zehn und 15 Millionen Menschen leiden in Deutschland an einer Autoimmunerkrankung. Damit sind Autoimmunerkrankungen nach Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen die häufigsten chronischen Erkrankungen. Selbst Diabetes mit acht Millionen Betroffenen hängen Autoimmunerkrankungen mittlerweile ab.

Aber es wird noch zu wenig über Autoimmunerkrankungen gesprochen. Das soll sich jetzt ändern. Also: Was ist Antiphospholipid-Syndrom?

Was ist Antiphospholipid-Syndrom?

Weitere Bezeichnungen für das Antiphospholipid-Syndrom sind „Hughes Disease“, benannt nach Mr. Hughes, dem Entdecker der Krankheit 1986, sowie „Cardiolipin-Antikörper-Syndrom“ und „Anti-Phospholipid-Antikörper-Syndrom“.

Während sich bei den meisten Autoimmunerkrankungen der Autoimmunprozess gegen ein bestimmtes Gewebe richtet, ist es beim Antiphospholipid-Syndrom systemisch – im ganzen Körper.

Damit ist es nicht so leicht vorstellbar wie Hashimoto Thyreoiditis, bei dem die Schilddrüse attackiert wird oder Diabetes Typ 1 (Autoimmunreaktion gegen die Bauchspeicheldrüse).

Das Immunsystem (Autoantikörper) richtet sich beim Antiphospholipid-Syndrom gegen Proteine, die Phospholipide transportieren. Da Phospholipide jede einzelne Zelle des Körpers umgeben, sind die entsprechenden Proteine auch sehr weit verbreitet, und so kann der Autoimmunprozess überall im Körper stattfinden.

Üblicherweise konzentriert sich der Autoimmunprozess jedoch auf die Blutgefäße. Dazu gleich mehr.

APS gehört zu den Kollagenosen oder Rheumaerkrankungen – den Autoimmunerkrankungen des Bindegewebes.

[su_spoiler title=“Was sind Phospholipide? „]

Phospholipide sind kleine Moleküle, die in jeder Zelle des Körpers vorkommen. Zellen sind von einer Fetthülle umgeben, den Zellmembranen. Phospholipide bilden diese Zellmembranen und grenzen die Zelle vom umliegenden Plasma ab. Phospholipide bestehen immer aus einem wasserlöslichen Kopf (mit Phosphorgruppe) und einem fettlöslichen Schwanz, eine oder mehrere Fettsäuren. So sind Phospholipide ähnlich wie Seife in Wasser und in Fett löslich und damit die ideale Membran für Zellen.

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Antiphospholipid-Syndrom Definition

Die Frage „Was ist das Antiphospholipid-Syndrom?“ lässt sich nun beantworten. Diese Autoimmunerkrankung definiert sich darüber, dass Thrombosen, Fehlgeburten und Anti-Phospholipid-Antikörper zusammenkommen. Da steckt schon drin, dass es um Blutgerinnsel geht, die meisten betroffenen Frauen sind und die Blutgerinnsel auch zu Schwangerschafts-Komplikationen führen können.

Und, dass es eine Autoimmunerkrankung ist, da Autoantikörper nachgewiesen werden können.

Was genau passiert beim APS?

Was eine Autoimmunerkrankung ist, sollte mittlerweile klar sein. Das Antiphospholipid-Syndrom ist eine Autoimmunerkrankung, bei der Immunzellen sich gegen phospholipid-transportierende Proteine richten. Das ist deswegen so katastrophal, weil Phospholipide jede Zelle des menschlichen Körpers umgeben. Und theoretisch kommen dort auch überall phospholipid-bindende und phospholipid-transportierende Proteine vor.

Die Immunzellen binden Antikörper gegen diese Proteine. Konkret handelt es sich dabei nur um einige wenige Proteine, die Sie hier (Antiphospholipid-Syndrom Antikörper) nachlesen können. Die wichtigsten sind ß2-Glykoprotein, Cardiolipin-Protein und Prothrombin. Ihnen ist gemein, dass sie höchstwahrscheinlich allesamt an der Gerinnungskaskade mitwirken.

Die Gerinnungskaskade ist ein Proteinsignalweg, der darauf abzielt, Blut gerinnen zu lassen. Dieser Vorgang ist überlebenswichtig, wenn ein Blutgefäß verletzt wird und Blut hinausströmt. Blut um die Wunde herum gerinnt, dies kommt durch die Quervernetzung von Blutplättchen (Thrombozyten) zustande. Das ist das Ziel der Gerinnungskaskade.

Binden Autoantikörper nun die genannten Proteine, dann kommt es zu einem verfrühten Start der Gerinnungskaskade, auch ohne Wunde. Und das kann gefährlich werden.

Denn Betroffene haben ein erhöhtes Vorkommen an Blutgerinnseln im ganzen Körper. Es ist also jederzeit mit thrombotischen Ereignissen wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Niereninfarkt, Lungenembolie und Thrombosen in den Extremitäten zu rechnen. Und das ist gefährlich, wie Sie hier (Antiphospholipid-Syndrom Lebenserwartung) erfahren.

Während Schwangerschaften kann es darüber hinaus zu spontanen Abtreibungen und Fehlgeburten kommen, da das Immunsystem sich auch gegen Phospholipide des Embryos richten kann, oder aber Thrombosen eine erfolgreiche Schwangerschaft verhindern.

Die Antiphospholipid-Syndrom Formen

Das Antiphospholipid-Syndrom tritt in verschiedenen Formen auf, die hier kurz unterschieden werden sollen:

  1. Das primäre Antiphospholipid-Syndrom ist unabhängig, also eine selbstständige Krankheit.
  2. Das sekundäre Antiphospholipid-Syndrom ist in jedem Fall eine Begleitererkrankung mit anderen Krankheiten, meist andere rheumatische Autoimmunerkrankungen wie Lupus Erythematodes und rheumatoider Arthritis. Eine ausführliche Auflistung aller Komorbiditäten können Sie hier (Antiphospholipid-Syndrom) nachlesen.

Das Antiphospholipid-Syndrom ist zudem für 8 bis 14 % aller neu erkrankten Venen-Thrombosen verantwortlich.

Erkrankungsfälle des APS unterscheiden sich auch insofern, wie stark die Symptome auftreten und wie sehr Betroffene in ihrer Lebensführung beeinträchtigt sind.

Das asymptomatische Antiphospholipid-Syndrom

Hierbei wissen Betroffene meistens gar nichts von der Erkrankung. Thrombotische Ereignisse kommen im Körper zwar vor, hinterlassen aber keine merklichen Schäden. Und wenn thrombotische Ereignisse im höheren Alter dann doch auftreten, dann schiebt man es meist auf das Alter nicht auf eine Autoimmunerkrankung.

Das symptomatische Antiphospholipid-Syndrom

Hier wissen die Betroffenen von ihrer Erkrankung und es kommt gelegentlich zu Thrombosen. Da jedoch die Symptome sehr allgemein sind und thrombotische Ereignisse sehr verbreitet in der Bevölkerung, ist die Dunkelziffer der Betroffenen sehr hoch. Der symptomatische Fall ist der häufigste.

Das katastrophale Antiphospholipid-Syndrom

Wie der Name schon sagt, ist diese Form des Antiphospholipid-Syndroms katastrophal und akut lebensgefährlich. Sie tritt nach einer Operation oder direkt nach der Geburt eines Kindes auf und ist mit multiplen Thrombosen im gesamten Körper verbunden. Hier muss sofort reagiert werden mit starker Medizin in hoher Dosierung, sonst schwebt die Person in Lebensgefahr.

Antiphospholipid-Syndrom Häufigkeit

Zu Beginn des Beitrages sagte ich, dass das Antiphospholipid-Syndrom eine stark unterschätzte Autoimmunerkrankung sei. Wie stark unterschätzt?

In 2 bis 5 % der Bevölkerung in Deutschland sind Antiphospholipid-Antikörper nachweisbar. Das entspricht zwei bis vier Millionen Menschen in Deutschland, die Autoantikörper gegen Phospholipide tragen.

Also zwei bis vier Millionen potenzielle Betroffene. Bei den meisten zeigt sich das APS asymptomatisch, die Betroffenen wissen meist ihr ganzes Leben nichts von der Erkrankung, und keiner wundert sich, wenn im Alter Demenz, Schlaganfall und Herzinfarkte drohen. Da das als „normale Alterserscheinungen“ akzeptiert wird.

Nicht bei jedem Menschen, der die Antikörper trägt, muss die Krankheit auch ausbrechen. Aber es ist jederzeit damit zu rechnen.

Mehr zum Antiphospholipid-Syndrom erfahren

Wenn Ihnen dieser Beitrag weitergeholfen hat und Sie einen größeren Überblick über das Antiphospholipid-Syndrom erhalten möchten, werden Sie im Übersichtsartikel Antiphospholipid-Syndrom fündig. Dort werden Themen von Symptomen über Diagnoseleitlinien, Ursachen, Lebenserwartung und Behandlung bis zur Ernährung und Nährstofftherapie behandelt.

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Fazit – Das Antiphospholipid-Syndrom ist eine der am meisten unterschätzten Autoimmunerkrankungen

Was ist Antiphospholipid-Syndrom? Dieser Frage sind wir heute nachgegangen.

Beim Antiphospholipid-Syndrom richten sich körpereigene Immunzellen gegen Proteine, die Phospholipide transportieren. Über die Ursachen dahinter erfahren Sie im hinterlegten Beitrag mehr.

Durch die vorzeitige Aktivierung dieser Proteine kommt es zum Start der Gerinnungskaskade, die eigentlich als Schutz bei Wunden dienen soll und Blut gerinnen lässt.

Beim APS kommt es auch ohne Wunde zu Blutgerinnung. Das Thromboserisiko ist dabei stark erhöht, es kann theoretisch jederzeit und überall zu Thrombosen kommen.

Autoimmunerkrankungen sind in Deutschland deutlich verbreiteter als bisher angenommen. Das Antiphospholipid-Syndrom betrifft bis zu vier Millionen Menschen in Deutschland, die meisten davon wissen gar nichts von ihrer Erkrankung. Das Risiko für zahlreiche Begleiterscheinungen wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Thrombosen, Nierenversagen und Lungenembolie ist stark erhöht. Ebenso kann es in vermehrtem Ausmaß zu Fehlgeburten kommen.

[su_spoiler title=“Quellenverzeichnis“]

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